Wenn Übergewicht krank macht
Adipositas-OP
Adipositas (Fettleibigkeit) führt häufig zu schwerwiegenden Erkrankungen. In vielen Fällen hilft am Ende nur eine Operation.
Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Die heikle Grenze liegt bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 35: Ab diesem Richtwert gelten Menschen mit Übergewicht als morbid adipös, als krankhaft fettleibig. In den vergangenen 25 Jahren hat der Anteil stark übergewichtiger Menschen deutlich zugenommen. In Europa gilt mittlerweile fast jeder sechste Erwachsene als adipös, berichtet Eurostat, das statistische Amt der Europäischen Union. Viele Betroffene leiden aber nicht nur unter ihrem Übergewicht und den damit verbundenen Bewegungseinschränkungen und der sozialen Ausgrenzung, sondern auch unter den daraus resultierenden Gesundheitsproblemen.
Häufig entstehen ernsthafte Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes 2 oder Arthrosen in den Gelenken. Ein Rat wie „Sie sollten dringend abnehmen“ läuft in der Regel ins Leere, weiß Prof. Dr. med. Rolf B. Schlumpf, Spezialist für Viszeralchirurgie, an der Klinik Hirslanden in Zürich. „Bei Gewichtsklassen ab einem BMI von 35 ist ein nachhaltiges Abnehmen in der Regel kaum möglich. Viele meiner Patienten haben schon unzählige erfolglose Diätversuche hinter sich, wenn sie zu mir kommen. Ihre einzige Chance besteht darin, ihren Magen zu verkleinern, bzw. die Verdauungszeit zu verkürzen.“
Welche Operationsverfahren helfen bei Adipositas?
Das früher häufig eingesetzte Magenband zur Reduzierung des Magendurchmessers im Eingangsbereich, wird heute nur noch selten verwendet. Der goldene Standard ist der Magenbypass, so Prof. Schlumpf: „Dabei verkleinern wir den Magen auf die Größe einer Espresso-Tasse und verbinden ihn direkt mit einer hochgezogenen Dünndarmschlinge. Der andere Teil des Dünndarms mit den Verdauungssäften aus Bauchspeicheldrüse und Galle wird erst weiter unten mit dem restlichen Dünndarm verbunden, wodurch die ‚Verdauungsstrecke’ deutlich verkürzt wird. Auf diese Weise wird einerseits die Nahrungsmenge massiv reduziert (Restriktion) und andererseits die volle Nahrungsverwertung unmöglich gemacht (Malabsorption).“
Seltener, z.B. bei einem BMI knapp über 35 oder auf ausdrücklichen Wunsch der Patienten, führt Prof. Schlumpf eine sogenannte „Schlauchmagen-Operation“ aus. Dabei wird ein Teil des Magens entfernt, so dass nur ein Schlauch übrig bleibt. Ähnlich wie beim Magenband führt hier vor allem der schneller eintretende Sättigungseffekt zu der gewünschten Gewichtsreduzierung.
Welche Risiken gibt es bei Adipositas-Operationen?
Prof. Schlumpf ist es wichtig zu betonen: Ein Magenbypass ist keine Wellness-Chirurgie, die man durchführt, wenn man mal eine Kleidergröße zugelegt hat. „Jeder chirurgische Eingriff hat seine Risiken. Die Sterblichkeit liegt zwar deutlich unter 1 Prozent. Aber bei diesen Eingriffen kommt es besonders auf die Nähte an Magen und Dünndarm an, die grundsätzlich luft- und flüssigkeitsdicht sein müssen. Bei etwa 2,5 Prozent der Patienten kann es hier zu Komplikationen kommen.“
Durch die Rekonstruktion im Bauchraum entstehen außerdem manchmal Lücken zwischen den Darmschlingen. In seltenen Fällen kann es dadurch zu einem Darmverschluss kommen. Über diese Risiken und ihre Warnsignale werden die Patienten im Vorfeld der Operation ausführlich aufgeklärt. Um die Heilung nach dem erfolgten Eingriff zu beschleunigen und die Belastung für die Betroffenen so gering wie möglich zu halten, operiert Prof. Schlumpf in 98 Prozent aller Fälle minimalinvasiv mit der sogenannten Schlüssellochtechnik. „Normalerweise können wir unsere Patienten nach vier bis fünf Tagen entlassen und bereits nach zwei bis drei Wochen können Berufstägige auch wieder zur Arbeit gehen.“
Wie schnell nimmt man nach einer Adipositas-OP ab?
Nach etwa zwei Jahren haben die Patienten von Prof. Schlumpf ihr konstantes Gewicht erreicht, das sie in der Regel auch halten. In der ersten Zeit purzeln die Kilos relativ schnell, nach einigen Monaten wird die Kurve dann flacher. „Eine Patientin, die 1,60m groß ist und 102 kg wiegt, erreicht durchaus ein Gewicht von 70, vielleicht sogar 65 kg. Das Idealgewicht ist natürlich ein hochgegriffenes Ziel. Die meisten liegen am Ende etwa 10 Prozent darüber“, so der Adipositas-Spezialist.
Bei den meisten Patienten verschwinden Diabetes 2 und Bluthochdruck genau so wie die Rücken- und Kniegelenksbeschwerden sehr schnell. Was bleiben kann, sind z.B. eine störende Fettschürze am Bauch oder überschüssige Haut an Oberschenkel und Oberarmen. Die etwaigen plastischen Korrekturen werden nicht obligatorisch von der Krankenkasse übernommen.
Welche Nachsorge ist nach einer Adipositas-Operation erforderlich?
Die Patienten von Prof. Schlumpf müssen vor dem Eingriff ihr Einverständnis zur lebenslangen medizinischen Nachsorge erklären. Der Großteil ist sehr diszipliniert und mache gut mit, so das Fazit des Viszeral-Spezialisten. Viele müssten erst wieder lernen, angemessene Mengen zu essen und sich gesund zu ernähren. Durch die reduzierte Nahrungsaufnahme bzw. Verdauung ist es notwendig, lebenslang Vitamine einzunehmen. Dennoch sind die meisten seiner Patienten ausgesprochen glücklich nach der erfolgten Operation, so Prof. Schlumpf: „Viele fragen sich im Nachhinein, warum sie diesen Schritt nicht schon früher gewagt haben. Häufig müssen sie kein Insulin mehr spritzen. Sie fühlen sich wohler ohne ihr extremes Übergewicht, können sich wieder normal bewegen, finden Partner, neue Jobs und gründen Familien.“
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