Ursachen behandeln, nicht nur Symptome
Metabolisches Syndrom
Bei der Behandlung des metabolischen Syndroms steht der Abbau von Übergewicht an erster Stelle, betont Prof. Dr. med. univ. Klaus Dittrich, Spezialist für Adipositaschirurgie in Wien und Chefarzt der Abteilung für Chirurgie im Landeskrankenhaus Korneuburg.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Was ist ein metabolisches Syndrom?
Prof. Dittrich: „Darunter versteht man die Zusammenfassung mehrerer Erkrankungen. Dazu gehören Übergewicht, erhöhte Blutzuckerwerte (Diabetes eventuell in Kombination mit einer Insulinresistenz), erhöhte Blutfettwerte (Cholesterin) und Bluthochdruck. Ein wesentlicher Faktor ist die ausgeprägte Ansammlung von Bauchfett, der sogenannte ‚Bierbauch‘ ‚Wohlstandsbauch‘ oder ‚Schwimmring‘. Dabei geht es jedoch weniger um die nach Außen sichtbare Wölbung als um das in der Bauchhöhle eingelagerte Fett, das Viszeralfett. Wenn drei dieser genannten Faktoren zutreffen, spricht man von einem metabolischen Syndrom.“
Wie entsteht ein metabolisches Syndrom?
Prof. Dittrich: „Das ist einfach zu erklären: zu viel Essen, zu wenig Bewegung. Wobei die Ernährungsgewohnheiten ausschlaggebend sind, wenn besonders viele Fertiggerichte oder Fast Food konsumiert werden, die hohe Anteile von Zucker und gesättigten Fettsäuren enthalten.“
Welche Risiken und Folgeerkrankungen können daraus entstehen?
Prof. Dittrich: „Auf lange Sicht besteht beim metabolischen Syndrom die Gefahr von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Insbesondere steigt das Risiko für einen Herzinfarkt und Arterosklerose. Große Anteile daran haben zum einen die erhöhten Blutzuckerwerte und/oder eine bestehende Insulinresistenz. Zum anderen bewirkt das viszerale Fettgewebe Entzündungsreaktionen. Diese können die Entstehung von Arterosklerose fördern. Das sind Fetteinlagerungen in den Gefäßwänden, die zu Gefäßverengungen und Thrombosen führen können. Zum anderen produzieren die Fettzellen ein Hormon, das die Insulinwirkung reduziert. Damit verstärken sich die einzelnen Faktoren zu einem Teufelskreis. Das metabolische Syndrom löst also vor allem systemische Erkrankungen aus, die man nicht so leicht rückgängig machen kann.“
Wie wird ein metabolisches Syndrom diagnostiziert?
Prof. Dittrich: „Erster Ansprechpartner ist sicher der Hausarzt. Aber tatsächlich sind keine Hightech-Verfahren notwendig, um ein metabolisches Syndrom zu erkennen. Wenn Faktoren wie Bluthochdruck, Diabetes und Übergewicht bestehen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Erkrankungen in der Summe ein metabolisches Syndrom ergeben. Um den Risikofaktor Bauchfett zu bestimmen, braucht man nicht mehr als ein Maßband, um den eigenen Bauchumfang auf Höhe des Nabels zu messen. Bei Frauen wird es ab 88 cm kritisch, bei Männern ab einem Umfang von 102 cm.“
Wie werden Patienten mit metabolischem Syndrom behandelt?
Prof. Dittrich: „An erster Stelle steht der Abbau von Bauchfett und Übergewicht. Dabei helfen eine Ernährungsberatung oder eine Lebensstilberatung. Leider gibt es dazu nicht besonders viele Angebote. Auf eine gesunde Ernährung und auf ausreichend Bewegung zu achten, könnte und sollte man eigentlich mit dem gesunden Menschenverstand alleine hinbekommen. Aber leider sind gerade diese Punkte im Alltag für viele Menschen schwierig umzusetzen. Viele Patienten winken gleich ab, wenn sie aufgefordert werden, Sport zu treiben. Aber es reicht bereits eine körperliche Betätigung von 4-6 Stunden, die über die Woche verteilt wird. Hilfreich sind bereits regelmäßige Spaziergänge. Auf jeden Fall sollte die gewählte Aktivität Spaß machen und am besten gemeinsam mit der Partnerin oder dem Partner, Kindern oder Enkelkindern ausgeführt werden. Die anderen Faktoren beim metabolischen Syndrom wie Bluthochdruck müssen medikamentös eingestellt werden.“
Inwieweit können Medikamente oder eine Adipositas-Operation helfen?
Prof. Dittrich: „Bluthochdruck, erhöhte Cholesterinwerte und Diabetes können mit Hilfe von Medikamenten behandelt und kontrolliert werden. Wenn alles aus dem Ruder läuft, kann die metabolische Chirurgie eine wichtige Hilfe sein. Bei ausgeprägtem Übergewicht und einer Insulinresistenz sind ein Magenbypass oder eine Magenverkleinerung (Schlauchmagen) entscheidende Therapieschritte. Um langfristige Erfolge zu erzielen, ist es zusätzlich unumgänglich, die Ursachen des metabolischen Syndroms zu bekämpfen: falsche Ernährung und Bewegungsmangel.“
Wieviel Eigeninitiative ist von den Patienten gefragt?
Prof. Dittrich: „Die Crux ist leider, dass sehr viel Eigeninitiative gefragt ist. Und wir alle wissen, dass es nicht leicht ist, aus seinen Alltagsgewohnheiten auszubrechen. Viele Menschen sind durch Stress und den Beruf, den täglichen Ablauf im Haushalt und durch Routinen im Privatleben geprägt. Je öfter man mit dem Auto zum Bäcker fährt statt mit dem Fahrrad und je öfter man es sich mit der Tüte Chips vor dem Fernseher gemütlich macht, desto schwieriger wird es, diese Gewohnheiten wieder zu brechen. Das geht nur mit Unterstützung durch den Partner, von Kindern oder Freunden.“
Wie sind die Behandlungsaussichten bzw. Erfolgschancen?
Prof. Dittrich: „Leider sehe ich immer wieder Patienten bei mir in der Sprechstunde, die an den konservativen Therapieversuchen scheitern. Ich kann jedem Risikopatienten nur raten, rechtzeitig aktiv zu werden und sich Hilfe, Unterstützung und Begleitung zu organisieren. Natürlich können wir dank der modernen Medizin Diabetes und andere Pathologien des metabolischen Syndroms langfristig behandeln, so dass unsere Patienten Zeit und Lebensqualität gewinnen. Operative Eingriffe bei krankhaftem Übergewicht, wie ein Magenbypass oder ein Sleeve, sind als Therapie der Wahl immer mit einzubeziehen. Unumgänglich als Therapie ist, die Ursachen des metabolischen Syndroms möglichst zu beseitigen.“
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