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Gute Heilungschancen bei Schilddrüsenkrebs

Schilddrüsentumore

Jedes Jahr erkranken rund 6000 Männer und Frauen an Schilddrüsenkrebs. Die Zahl hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren nahezu verdoppelt. Die Sterblichkeit zum Glück nicht: Die Heilungschancen liegen bei über 90 Prozent, betont Dr. med. Jochen Schabram, Spezialist für Endokrine Chirurgie und Chefarzt an der Asklepios Klinik Lich. Er beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema Schilddrüsenkrebs.

Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO

Welche Symptome können auf Schilddrüsenkrebs hinweisen?

Dr. Schabram: „ Leider entwickeln sich bösartige Tumore in der Schilddrüse lange Zeit, ohne irgendwelche Beschwerden oder Symptome auszulösen. Erst im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu sichtbaren Schwellungen am Hals, Heiserkeit, Atemnot oder Schluckbeschwerden. Einige Patienten können plötzlich ihre Halslymphknoten vergrößert ertasten. Bei vielen sind die Symptome sehr unspezifisch: Sie fühlen sich unwohl, frieren oder schwitzen leicht. Schwierig dabei ist, dass die Laborwerte nach einer Blutentnahme häufig trotz des Tumorbefalls normal erschienen.“

Mit welchen Diagnosemethoden lässt sich Schilddrüsenkrebs feststellen?

Dr. Schabram: „Bei einem Verdacht auf Schilddrüsenkrebs aber auch bei unklaren Befindlichkeitsstörungen sollte unbedingt eine Ultraschalluntersuchung (Sonografie) der Schilddrüse erfolgen. Durch diese kann der behandelnde Arzt Lage und Größe der Schilddrüse begutachten und Veränderungen im Aufbau, zum Beispiel Knoten, erkennen. Gleichzeitig können auch die Lymphknoten am Hals untersucht werden. Werden dabei Auffälligkeiten entdeckt, kann im Rahmen einer Szintigraphie festgestellt werden, ob es ein „heißer“ oder „kalter“ Knoten ist. Bei diesem Verfahren verabreicht der Nuklearmediziner dem Patienten eine radioaktive Substanz, die sich in den gesunden Bereichen der Schilddrüse ansammelt. Zeigt ein Knoten eine vermehrte Anreicherung, handelt es sich fast immer um einen gutartigen, sogenannten „heißen“ Knoten, der jedoch eine Überfunktion der Schilddrüse auslösen kann. Zeigt ein Knoten eine verminderte Anreicherung, handelt es sich um einen funktionslosen, also „kalten“ Knoten, hinter dem sich ein Schilddrüsenkrebs verbergen kann. Zur weiteren Beurteilung der Bösartigkeitswahrscheinlichkeit  eines „kalten“ Knotens kann eine Punktion zur mikroskopischen Beurteilung (Zytologie) sinnvoll sein. Ein 100- prozentiger Ausschluss von Bösartigkeit ist jedoch nur durch eine Operation möglich.

Wie gefährlich ist Schilddrüsenkrebs?

Dr. Schabram: „Das hängt davon ab, um welche Art von Schilddrüsenkarzinom es sich handelt und wie rechtzeitig es entdeckt wurde. Das mit 80 Prozent am häufigsten auftretende, papilläre Schilddrüsenkarzinom spricht sehr gut auf eine Therapie an. Die Heilungsrate liegt bei mehr als 90 Prozent. Wenn es Metastasen bildet, dann zunächst in den benachbarten Lymphknoten. Das mit ungefähr 15 Prozent deutlich seltenere follikuläre Karzinom metastasiert dagegen über die Blutbahn und kann so zu Fernmetastasen, zum Beispiel in Knochen oder dem Gehirn, führen. Das seltene C-Zell-Karzinom neigt bereits in sehr frühen Stadien zu Metastasen. Es gibt eine erbliche und eine nicht erbliche Variante und es ist das einzige Schilddrüsenkarzinom, das über einen Laborwert diagnostiziert werden kann. Der Tumormarker Calcitonin ist auch bei kleinen C- Zell- Karzinomen bereits signifikant erhöht. Wird dieser seltene Schilddrüsenkrebs frühzeitig erkannt sind die Heilungschancen in den meisten Fällen sehr gut. Anders sieht es aus beim ebenfalls sehr seltenen, aber aggressiven und potentiell tödlichen anaplastischen Karzinom. Es bildet sich meist aus bestehenden Schilddrüsenknoten, vorwiegend im höheren Lebensalter, gewährt Betroffenen aber leider meist nur eine kurze Überlebenszeit von wenigen Monaten.“

Wie kann man Schilddrüsenkrebs behandeln?

Dr. Schabram: „Die Standardtherapie bei bösartigen Tumoren, ist die vollständige Entfernung der Schilddrüse, ggf. zusammen mit den umliegenden Lymphknoten. Nur bei solitären, papillären Karzinomen unter einem Zentimeter Durchmesser reicht eine begrenzte Entfernung des bösartigen Gewebes. Einige Wochen nach der Operation wird in der Regel eine Radio-Jod-Therapie in einer Klinik für Nuklearmedizin durchgeführt. Dazu müssen die Patienten einige Tage in einem strahlungssicheren Raum verbringen. Durch die Gabe von radioaktivem Jod sammelt sich dieses zielgenau in den eventuell noch vorhandenen Schilddrüsen- und Tumorzellen und zerstört sie. Im Verlauf zeigt ein erneutes Szintigramm, ob noch Speicherungen von radioaktivem Jod erkennbar sind. Zusätzlich wird nach der Radio- Jod- Therapie der Tumormarker „Thyreoglobulin“ überprüft. Wenn nichts mehr nachweisbar ist, gilt der Patient als tumorfrei und geheilt. In jedem Fall ist jedoch eine mehrjährige Tumornachsorge erforderlich. Bei dem erwähnten, eher seltenen C- Zell- Karzinom, ist eine Radio- Jod- Therapie unwirksam, so dass die Heilung ausschließlich operativ erreicht werden kann. Im Falle eines ungünstigen anaplastischen Karzinoms können Strahlentherapie und Chemotherapie zur Lebensverlängerung eingesetzt werden.“

Wie belastend ist eine Operation bei Schilddrüsenkrebs?

Dr. Schabram: „Der Eingriff selbst ist wenig belastend. Der Schnitt wird immer in einer Hautfalte am Hals gesetzt, so dass später kaum eine sichtbare Narbe erkennbar ist. Die Patienten bleiben in der Regel zwei bis drei Tage in der Klinik und werden direkt nach der Operation mobilisiert, können auch Essen und Trinken und erhalten lediglich Schmerztabletten gegen den Wundschmerz. Nach 14 Tagen können die meisten schon wieder zur Arbeit gehen. Vier Wochen später kommt dann in vielen Fällen noch die eben erwähnte Radio-Jod-Therapie auf sie zu. Um Komplikationen zu vermeiden, ist es natürlich wichtig, dass der Chirurg über eine ausreichende Expertise verfügt, um während des Eingriffs den Stimmbandnerv oder auch die Nebenschilddrüsen nicht zu verletzen. Dabei handelt es sich um vier, nur linsengroße Drüsen, die aber unsere Calciumversorgung regulieren. Eine Schädigung der Nebenschilddrüsen kann schwerwiegende Muskelkrämpfe zur Folge haben. Studien haben einen direkten Zusammenhang zwischen der Eingriffshäufigkeit und Komplikationsrate gezeigt“

Welche Vorsorgemöglichkeiten gegen Schilddrüsenkrebs gibt es?

Dr. Schabram: „Grundsätzlich gilt: Jeder vierte Erwachsene in Deutschland hat statistisch einen meist harmlosen Knoten in der Schilddrüse. Es würde jeden Kostenrahmen sprengen, die gesamte Bevölkerung vorsorglich zu untersuchen. Wichtig ist es für Menschen, in deren Familie bereits Schilddrüsenerkrankungen bekannt sind. Sobald sie typische Symptome oder eine Veränderung ihres Allgemeinzustands bemerken, sollten sie sich allerdings nicht nur auf eine Untersuchung der Schilddrüsen-Laborwerte verlassen, sondern unbedingt auf einen Ultraschall bestehen.“

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