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Möglichkeiten und Grenzen individueller Kniegelenksprothesen

Spezialist für Kniechirurgie PD Dr. med. Christoph Becher - Portrait

Prof. Dr. med. Becher

Leitender Arzt

Orthopädie

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Knieendoprothesen

Das Spannungsfeld zwischen Individualisierung und Standardisierung ist auch im Bereich der Kniegelenksversorgung ein großes Thema, bestätigt Prof. Dr. med. Christoph Becher, Spezialist für Kniechirurgie und Leitender Arzt im Internationalen Zentrum für Hüft-Knie-Fußchirurgie (HKF) in der ATOS Klinik Heidelberg.

Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO

Wie viel Individualisierung ist im Rahmen der Kniechirurgie möglich?

Prof. Becher: „Der Mensch an sich ist heterogen, so dass auch jedes Gelenk einen individuellen Teil unseres Körpersystems darstellt. Jedes Knie funktioniert anders. Im Gegensatz dazu ist die Kniechirurgie noch sehr standardisiert. Die Versorgung mit Kniegelenksprothesen beruht auf Durchschnittswerten, die nicht zu jedem Patienten passen. Wissenschaftliche Studien belegen zum Beispiel, dass die Beinachse nur bei dreißig Prozent der Menschen in Europa gerade verläuft. Die Knieprothesen sind aber in der Regel für gerade Beinachsen konstruiert.“

Welche Vorteile haben individuell angefertigte Knieimplantate?

Prof. Becher: „Individuell angefertigte Kniegelenksprothesen können die persönliche Anatomie der Patienten exakt nachempfinden. Standardprothesen gibt es in verschiedenen Größen mit identischer Geometrie. Um sie passend zu machen, muss der vorhandene Knochen reduziert werden, obwohl es eigentlich erstrebenswert ist, soviel Knochen wie möglich zu erhalten. Im aktuellen Stadium wird der Patient an die Knieprothese angepasst und nicht die Prothese an den Patienten. Letzteres wäre erstrebenswert und ist meiner Meinung nach nur mit personalisierten Knieendoprothesen zu erreichen. Wichtig ist zudem die Unversehrtheit der Weichteilspannung, also das Intakthalten von Gewebe und Bändern. Individuelle Prothesen werden vor ihrer Herstellung äußerst präzise geplant. Während der Operation kann diese Planung dann exakt und ohne Überraschungen umgesetzt werden. Dies bedeutet eine kürzere OP-Zeit, weniger Blutverlust und auch ein geringeres Infektionsrisiko. Bei Standardprothesen ist eine kostenintensive Lagerhaltung notwendig. Von einer individuell angefertigte Kniegelenksprothese wird nur eine einzige geliefert, plus die dazu auf den Patienten abgestimmten individuellen Einmalinstrumente.“

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Gibt es auch Fälle, in denen individuelle Knieimplantate keinen Sinn machen?

Prof. Becher: „Die individuelle Kniegelenksprothese ist nur anhand der knöchernen Basis planbar. Falls Patienten ein sehr krummes Bein, ausgeleierte Bänder oder komplexere Fehlstellungen haben, dann ist ein individuelles Knieimplantat evtl. nicht immer angezeigt. Hier fehlt noch die Erfahrung. Besonders sinnvoll ist es dagegen bei Beinstellungen, die von der Norm abweichen, nach vorangegangenen Stürzen, bei denen bereits ein Oberschenkelknochen genagelt wurde oder auch bei sehr kleinen oder sehr großen Patienten mit nicht der Norm entsprechenden Knien.“

Ist die Haltbarkeit von individuellen Kniegelenksprothesen besser als von Standardimplantaten?

Prof. Becher: „Was wir sicher wissen ist, dass sie äußerst exakt eingepasst werden können und dass die vorausgegangene Planung ohne Abweichungen umgesetzt werden kann. Eine abschließende Bewertung zur Haltbarkeit und auch zu den klinischen Vorteilen ist erst nach zehn bis fünfzehn Jahren möglich. Und so lange gibt es die personalisierten Knieprothesen noch nicht.“

Ist es möglich, auch die Versorgung mit Standardprothesen weiter zu verbessern?

Prof. Becher: „Auch im Bereich der Standardimplantate hat sich bereits viel getan. Die Abstufung der einzelnen Größen ist feiner geworden und auch in Bezug auf weibliche und männliche Patienten nachjustiert worden. Allerdings bedeutet dies eine große Lagerhaltung und insgesamt höhere Kosten.“

Wo sehen Sie weitere Ansätze zur Individualisierung der Behandlung bei Knieproblemen?

Prof. Becher: „Wichtig ist vor allem eine Spezialisierung der Kniegelenksbehandlung. Basis ist immer eine gute Indikation durch einen erfahrenen Kniespezialisten, der nicht nur anhand eines Röntgenbildes entscheidet, welche Therapie im Anschluss erfolgt. Eine ausführliche Beratung und ein Eingehen auf die Erwartungshaltung der Patienten sind dringend erforderlich. Sich Zeit für die Bedürfnisse des Patienten zu nehmen ist ein wichtiger Faktor auf dem Weg zu einer optimalen Behandlung. Dabei dürfen niemals die konservativen Ansätze außer Acht gelassen werden. Die moderne Orthobiologie arbeitet mit Eigenblut und körpereigenen Fett- und Stammzellen, die zum Knorpelerhalt und zum Knorpelaufbau verwendet werden können. Auch die Orthetik, die technische Orthopädie, kann mit gelenkunterstützenden Hilfsmitteln gute Dienste leisten. Die robotergestützte Kniechirurgie ist ebenfalls auf dem Vormarsch und trägt dazu bei, die Eingriffe noch exakter und präziser gelingen zu lassen. Aber es steht und fällt immer mit der Qualifizierung des Kniespezialisten, der alle Optionen kennen und beherrschen muss, um die individuell beste Lösung für den einzelnen Patienten zu ermöglichen. Und es freut mich sehr, dass sich dieses Bewusstsein immer mehr durchsetzt, und sogar gesetzlich Versicherte dazu übergehen, sich z.B. bei einer Zweitmeinung private Leistungen von Kniespezialisten einzukaufen.“


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