Meniskus-Operation ja oder nein
Meniskusschaden
Eine Meniskus-Operation sollte dazu dienen, die wichtige Knorpelscheibe im Kniegelenk möglichst zu erhalten. Je früher dies erfolgt, desto besser sind die Heilungsaussichten, sagt Prof. h.c. PD Dr. med. Matthias Steinwachs, Spezialist für Kniechirurgie in der SportClinic Zürich, Klinik Hirslanden.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Sind Meniskus-Verletzungen reine Sportverletzungen?
Prof. Steinwachs: „Der Großteil der Meniskusverletzungen entsteht tatsächlich beim Sport. Aber die Menisken können auch im Alltag reißen: Bei Treppenstürzen oder beim Ausrutschen auf glattem Boden, wenn das Knie verdreht wird. Außerdem unterliegt natürlich auch der Meniskus dem natürlichen Alterungsprozess. Vor allem dann, wenn Patienten in jungen Jahren intensiv belastende Sportarten wie z.B. Fußball, Volleyball oder Basketball betrieben haben.“
Warum ist der Erhalt der Menisken so wichtig, selbst wenn sie geschädigt sind?
Prof. Steinwachs: „Die Menisken sind wichtige Hilfsfaktoren für die Mechanik des Kniegelenks. Zum einen gleichen sie Druck aus. Der Oberschenkelknochen hat eine flachere und eine gebeugtere Seite. Diese unterschiedlichen Flächen und ihren Druck kompensiert der Meniskus. Zum anderen haben die Menisken auch eine Aufspreizfunktion, indem sie bei den Bewegungen des Knies die Bänder straffen. Studien haben gezeigt, dass ein fehlender Meniskus innerhalb kürzester Zeit zu einer Arthrose, also Gelenkverschleiß, führt.“
Warum sollten Meniskusschäden so früh wie möglich behandelt werden?
Prof. Steinwachs: „Nicht behandelte Meniskusschäden können chronisch werden. Während die Heilungsaussichten bei einem akuten, frischen Meniskusriss sehr gut sind, hat ein seit langem verletzter Meniskus schon eine Schädigung seiner Kollagenstruktur, was zu einer verminderten mechanische Stabilität führt. Wichtig ist daher bei Verdacht auf eine Meniskusverletzung eine rasche und genaue Diagnose. Dabei kann beurteilt werden, ob eine konservative Behandlung ausreicht, oder ob eine Operation notwendig ist. Ich kenne natürlich die Diskussion zu der Frage, ob Meniskusschäden operiert werden sollen oder nicht. Ich bin der Meinung, man sollte rasch operieren, wenn man durch die OP den Meniskus erhalten kann und der Patient entsprechende Beschwerden hat. Die Heilung kann in diesem Fall zusätzlich mit patienteneigenen Wachstumsfaktoren (autologes plättchenreiches Plasma & Fibrin (PRF)) unterstützt werden. Wenn es bei der OP nur darum geht, den Meniskus zu entfernen, sollte man erst alle konservativen Behandlungsoptionen ausschöpfen. Ich würde dann eine Operation zunächst hinauszögern und die weitere Entscheidung von den klinischen Beschwerden unter konservativer Therapie abhängig machen.“
Was sind typische Warnsignale für einen Meniskusriss?
Prof. Steinwachs: „Es gibt zwei typische Anzeichen, die Patienten zu einer Untersuchung des Kniegelenks bewegen sollen: Das ist zum einen das Anschwellen des Knies nach Belastung, wie etwa einer längeren Wanderung. Dies deutet auf einen Reiz- und Entzündungszustand hin, der durch eine Meniskusverletzung ausgelöst werden kann. Zum anderen sind es plötzlich einschießende, messerstichartige Schmerzen beim Beugen oder Drehen des Kniegelenks. Diese entstehen, wenn abgerissene Teile des Meniskus im Gelenk verklemmen oder dort Blockaden verursachen.“
Kann ein Meniskus-Schaden auch ohne Operation heilen?
Prof. Steinwachs: „Das ist unter anderem davon abhängig, wie viel Meniskusgewebe betroffen ist und ob es sich um einen frischen oder einen älteren Riss, bei bereits strukturell veränderten Meniskusgewebe handelt. In einigen Fällen macht es Sinn, zunächst mit Physiotherapie eine Besserung zu versuchen. Falls das nicht gelingt, kann man operieren. Entzündungen lassen sich mit entsprechenden Medikamenten und Injektionen reduzieren. In einigen Fällen kann dies durch Hyaluron-Injektionen oder Injektionen mit plättchenreichem Plasma (PRP) unterstützt werden. Wichtig ist, dass die Patienten sich nicht einfach ‚zurückschonen’, also nach und nach auf alle Bewegungen oder Sportarten verzichten, die Schmerzen auslösen. Dadurch wird die Diagnose verschleppt und die Behandlung erschwert. Ein instabiler Meniskus verursacht unbehandelt durch seine fehlende Funktion große Schäden, vor allem an der Knorpelschicht im Knie.“
Wann muss ein Meniskus-Schaden in jedem Fall operiert werden?
Prof. Steinwachs: „Das ist der Fall bei sogenannten Korbhenkel-Meniskusrissen. Dabei ist ein großer Teil des Meniskus‘ abgerissen und umgeschlagen, so dass jegliche Beugung oder Streckung stark eingeschränkt ist und schlimme Schmerzen entstehen. Auch bei komplizierten Knieverletzungen, bei denen nicht nur die Bänder, sondern auch die gesamte Meniskus-Ringstruktur gerissen sind, sollte sofort operiert werden, um einen Funktionsverlust des Meniskusgewebes zu verhindern.
Wie schnell sind Patienten nach einer Meniskusoperation wieder fit?
Prof. Steinwachs: „Die Eingriffe werden arthroskopisch, mit nur einem kleinen Zugang (minimal invasive) zum geschlossenen Gelenk operiert. Wenn nur ein kleiner Teil des Meniskus entfernt werden muss, können die Patienten nach 10 Tagen an Stöcken das Knie schon wieder normal belasten. Falls der Meniskus genäht wird, sind bei einem normalen Verlauf für 4 Wochen Gehhilfen erforderlich. Außerdem schränken wir zur besseren Heilung die Beugung des Kniegelenks vorübergehend ein. Nachdem die Patienten gelernt haben, wieder ohne Stöcke zu laufen, folgt ein Muskelaufbautraining zur Stabilisierung des Kniegelenks.“
Ist die Bewegung nach solchen Meniskusoperationen eingeschränkt?
Prof. Steinwachs: „Wenn diese Eingriffe korrekt ausgeführt wurden, können mehr als 70 Prozent der Patienten sogar in den Sport zurückkehren. Das ist durch Studien belegt. Bei etwa einem Viertel der Patienten bleiben Restbeschwerden. Diese können zustande kommen, da wir bei Nähten die Rissstellen übereinander ziehen und Narben bilden. Zudem kommen je nach Lage des Risses verschiedene Techniken zum Einsatz. Im vorderen Bereich des Gelenks können wir häufig resorbierbare Fäden verwenden, die sich selbst nach einiger Zeit auflösen. Im hinteren Bereich des Kniegelenks werden dagegen oft Ankersysteme verwendet, die sich in der Kapsel verhaken und so den Riss schließen. Wir verwenden auch hier z.T. resorbierbare Anker. In den seltenen Fällen, in denen sich ein Anker löst, kann es natürlich zu Problemen im Gelenk führen, die eine weitere Operation notwendig machen. Das ist allerdings bei höchstens 2 bis 5 Prozent der Patienten der Fall.“
In welchen Fällen muss ein geschädigter Meniskus durch ein Transplantat ersetzt werden?
Prof. Steinwachs: „Spender-Menisken, sogenannte Allografts, kommen bei sehr komplexen Meniskus-Verletzungen zum Einsatz, bei denen große Teile des Meniskus entfernt wurden. Auch falls Nähte nicht halten oder zu viel Gewebe entfernt werden musste. Im Idealfall, wenn der Patient sehr jung ist, sein Gelenk intakt ist und keinerlei Arthrose aufweist, sind die Ergebnisse sehr gut. Unter schlechten Voraussetzungen, bei fortgeschrittener Kniearthrose und gelockerten Gelenkstrukturen liegen die Chancen nur noch bei 50 Prozent. Insgesamt haben Studien aber gezeigt, dass bei 70 Prozent der Patienten mit einem Meniskus-Transplantat die Funktion nach 10 Jahren noch gegeben ist.“
Wie aufwändig ist eine Meniskus-Transplantation?
Prof. Steinwachs: „Wir operieren arthroskopisch-assistiert. Das heißt wir entfernen arthroskopisch die ursprünglichen Meniskusreste und verankern neue Fäden für die Halterung im Knochen. Nur um anschließend das Meniskus-Transplantat ins Gelenk einzuführen, ist ein Schnitt von etwa 4 Zentimetern notwendig. Insgesamt ist es eine sehr anspruchsvolle Operation, die in die Hände von erfahrenen Experten gehört. Letztendlich entfernt man den weitgehend zerstörten eigenen Meniskus und muss dann die Mechanik durch Implantation des Spendermeniskus wieder optimal herstellen.“
Wie lange dauert die Ausheilphase nach einer Meniskus-Transplantation?
Prof. Steinwachs: „Nach der Operation sollten die Patienten etwa 8 Wochen an Stöcken gehen, um den neuen Meniskus zu entlasten. Der Spender-Meniskus ist zwar ein Fremdgewebe. Da das Kniegelenk ein geschlossenes System ist, kommt es aber zu keinen Abstoßreaktionen. Die Zellen des Spenders sterben nach der Transplantation ab und werden durch die überwachsenden Zellen des Empfängers ersetzt. Dieser Wechsel dauert etwa ein Jahr. Während dieser Zeit können die Patienten sich normal bewegen und auch Schwimmen oder Radfahren, sollten aber auf High-Impact-Sportarten verzichten. Gleichzeitig ist eine intensive Physiotherapie notwendig. Wenn alles gut läuft, sind die Ergebnisse recht gut. Aber der Weg dorthin ist lang und anstrengend.“
Wie lange hält ein Meniskus-Transplantat?
Prof. Steinwachs: „Wenn das Transplantat gut eingeheilt ist, zeigen Studien ermutigende Ergebnisse. Nach 10 Jahren verfügen ca. 70 Prozent der Patienten noch über lebendes, intaktes Meniskusgewebe. Langfriststudien gibt es noch nicht, da das aktuelle, verbesserte Verfahren mit sogenannten ‚fresh-frozen’ Spender-Menisken noch nicht lange genug angewandt wird.“
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