Schonende Therapie bei Lymphomen
Lymphome
Lymphome sind bösartige Tumore, die sich aus den Zellen des Lymphsystems entwickeln. Rechtzeitig behandelt sind sie dank moderner Verfahren gut heilbar, erklärt Prof. Dr. med. Damien C. Weber, Spezialist für Strahlentherapie und Radioonkologie, Leiter und Chefarzt im Zentrum für Protonentherapie (ZPT) am Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen in der Schweiz.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Welche unterschiedlichen Lymphome gibt es?
Prof. Weber: „Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Lymphomen. Bei jungen Erwachsenen beobachtet man eher das Hodgkin-Lymphom (HL). Dann gibt es die Gruppe der Non-Hodgkin-Lymphome (NHL), die verschiedene Grade der Aggressivität aufweisen. Lymphome werden in der Regel mit Chemo- und Strahlentherapie behandelt, je nach Subtyp.“
Welche Symptome bzw. Warnsignale lösen Lymphome aus?
Prof. Weber: „Bei Patienten mit einem Lymphom können verschiedene Funktionsstörungen auftreten, da befallene Lymphknoten auf wichtige Strukturen drücken. Ein junger Mann mit Hodgkin-Lymphom im Bereich der Halswirbelsäule (Zervikalbereich) hätte beispielsweise Probleme beim Rasieren. Bei fortgeschrittener Erkrankung kann es zu nächtlichen Schweißausbrüchen, unfreiwilligem Gewichtsverlust, Müdigkeit und Fieber kommen.“
Wie gefährlich sind Lymphome?
Prof. Weber: „Ein niedrig-gradiges Non-Hodgkin-Lymphom (NHL), das in der Regel bei älteren Patienten auftritt, wird meist nur entdeckt und behandelt, wenn Beschwerden auftreten oder bei wiederkehrenden Infektionen. Bei manchen Formen von NHL können Antibiotika helfen. Hochgradige Lymphome, einschließlich Hodgkin-Lymphomen, sind lebensbedrohlich und müssen aggressiv behandelt werden, um den Patienten zu retten.“
Stimmt es, dass Lymphome häufig als Nebenwirkungen von Krebstherapien wie Bestrahlung oder Chemotherapie auftreten?
Prof. Weber: „Eine Behandlung gegen Krebs kann zu sekundären Tumoren führen. Lymphome sind nicht unbedingt die häufigsten dieser Art. Aber tatsächlich können einige dieser herausfordernden, seltenen Gewebeneubildungen (Neoplasien) als sekundäre bösartige Tumore bei Krebsüberlebenden auftreten. Viren können auch ein Grund sein, aber die meisten Lymphome treten ohne erkennbare Ursache auf.“
Gibt es Patientengruppen, die besonders gefährdet sind, Lymphome zu entwickeln?
Prof. Weber: „Patienten mit einem Immunschwächesyndrom (AIDS oder nach einer Transplantation) haben ein erhöhtes Risiko für eine Lymphom-Erkrankung.“
Wie werden Lymphome diagnostiziert?
Prof. Weber: „Die Diagnosesicherung erfolgt üblicherweise mit einer Biopsie, einer Gewebeentnahme zur Bestimmung des möglichen Tumors. Eine Operation, bei der z.B. Lymphknoten entnommen werden, ist daher meist keine therapeutische Option. Ausnahmen gibt es bei einer sehr seltenen Form von Hodgkin-Lymphomen. Zur Abklärung gehören auch Blutanalysen, CT-Scan mit oder ohne Ultraschall und eine Knochenmarksbiopsie.“
Wie werden Lymphome behandelt?
Prof. Weber: „Viele Lymphom-Patienten sind jung und haben, wenn sie geheilt sind, noch ein langes Leben vor sich. Entsprechend sind sie einem höheren Risiko ausgesetzt, Komplikationen durch die Krebstherapie zu entwickeln. Da die Gesamtprognose dieser Patienten sehr gut ist, ist im aktuellen Protokoll/den Richtlinien eine therapeutische Deeskalation vorgesehen – das heißt, weniger Chemotherapie und/oder weniger Strahlentherapie.
Die Protonentherapie ist eine sehr präzise und schonende Art der Strahlentherapie. Daher kann sie bei ausgewählten Lymphom-Patienten sehr ratsam sein, sofern eine Bestrahlung angezeigt ist. So kann bei Patientinnen mit einem Lymphom im Brustraum das Risiko eines sekundären Brusttumors durch Bestrahlung mit Protonen gesenkt werden. Oder wenn das Lymphom sehr dicht am Herzen liegt, kann das Organ mit Protonentherapie vielleicht besser geschont werden als mit herkömmlicher Bestrahlung. In jedem Fall sollte für den Patienten die beste Behandlungsstrategie in einem fachübergreifenden Tumorboard diskutiert und festgelegt werden.“
Wie läuft die Protonentherapie bei Lymphom ab?
Prof Weber: „Die Bestrahlung von Lymphom-Patienten ist im Vergleich zu anderen Tumorarten relativ kurz. Sie dauert etwa 2 bis 3 Wochen. Die Patienten kommen montags bis freitags täglich für eine Bestrahlungs-Einheit ans PSI. Wenn die tägliche Anreise von zuhause zu weit ist, können die Patienten während der Behandlung in einem Appartement in der Nähe des PSI wohnen. Unser Sekretariat ist gerne bei der Suche nach einer geeigneten Unterkunft behilflich.“
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Können sich Patienten direkt an das PSI wenden oder benötigen Sie eine Überweisung?
Prof. Weber: „Patienten können sich gerne direkt an mich wenden. Ich werde sie dann an einen medizinischen Onkologen überweisen, da die meisten Patienten auch eine Chemotherapie brauchen. Ich empfehle die Protonentherapie für Lymphome in folgenden Fällen:
- Patienten mit kardiovaskulären Erkrankungen, wenn das Herz wahrscheinlich im Zielgebiet der Bestrahlung liegt.
- Patienten mit Risiko für Lungenkrebs (z.B. Raucher), wenn ein Grossteil der Lunge bestrahlt werden müsste.
- Patientinnen, bei denen das Lymphom im unteren Brustraum sitzt und/oder Lymphknoten der Achselregion befallen sind, so dass mit einer Bestrahlung ein erhöhtes Brustkrebsrisiko verbunden wäre.
Wie sind die Heilungs- bzw. Überlebenschancen bei Lymphomen?
Prof. Weber: „Die Heilungs- und Überlebenschancen sind ausgezeichnet. Das Management von Lymphom-Erkrankungen ist eine Erfolgsgeschichte in der Onkologie.“
Wie häufig kommt es nach einer Lymphombehandlung zu einem Rückfall?
Prof. Weber: „Die Behandlung nach einem Rückfall nennt sich Salvage- oder Rettungs-Therapie. Sie besteht in der Regel aus Chemotherapie mit oder ohne Strahlentherapie. Jeder einzelne Behandlungsfall muss in einem fachübergreifenden Tumorboard besprochen werden, da es sich nicht um eine Standard-Behandlung handelt.“
Gibt es aktuell Forschungen oder Studien, die weitere Fortschritte in Bezug auf die Lymphom-Behandlung ermöglichen könnten?
Prof. Weber: „In verschiedenen Studien wird der Wert von zielgerichteten Wirkstoffen gegen Lymphome untersucht. Wie schon erwähnt, verfolgt die aktuelle therapeutische Strategie weniger Chemotherapie und/oder weniger Strahlentherapie. Die Möglichkeiten dieses Deeskalationskonzepts werden derzeit ebenfalls im Rahmen prospektiver Studien weiter untersucht.“
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