Was tun bei schmerzhaften Knieprothesen?
Kniegelenkchirurgie
Etwa 15 Prozent der Patienten, die ein künstliches Kniegelenk erhalten haben, leiden anschließend unter Schmerzen. Wichtig ist, die Ursachen zu ergründen, erklärt PD Dr. med. Sandro Kohl, Spezialist für Kniechirurgie und Endoprothetik, Praxisinhaber der Ortho-Kohl AG am Trauma Zentrum Klinik Hirslanden in Zürich.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Was sind mögliche Ursachen für schmerzende Knieprothesen?
PD Dr. Kohl: „Man muss zunächst einmal festhalten, dass einige Schmerzen sich durchaus mit Hilfe von Medikamenten lindern lassen und keiner Therapie bedürfen. Wenn diese Schmerzen allerdings den Alltag stören, sollten Patienten die Ursachen abklären lassen. Jeder Kniechirurg versucht, die ideale Beinachse für die Patienten herzustellen und so wenig wie möglich die natürliche Mechanik des Kniegelenks zu verändern. Es kommt allerdings vor, dass eine Überkorrektur erfolgt, so dass z.B. aus einem X-Bein ein O-Bein entsteht. Oder das Implantat ist zu groß gewählt, so dass es ggf. einen Überstand gibt, der Reizungen auslösen kann. Ist es zu klein, kann es sich lockern, da die Druckverhältnisse nicht optimal sind. Diese Effekte werden vor allem bei Standardimplantaten beobachtet, bei denen der Knochen an die Prothese angepasst wird und nicht umgekehrt. Hier sind immer wieder Kompromisse gefragt, die zu Problemen führen können. Andere Ursachen können eine zu geringe oder zu hohe Beinspannung sein, die zu einer Instabilität oder Steifheit im Knie führen können. Um helfen zu können, muss eine genaue Diagnose erfolgen.“
Welche Diagnoseschritte sind bei schmerzhaften Knieprothesen erforderlich?
PD Dr. Kohl: „Ganz wichtig ist eine ausführliche Anamnese, da ein ganzer Fragenkatalog zu klären ist, um eine möglichst klare Diagnose zu treffen. Im Gespräch mit den Patienten versuche ich zu ergründen, wann die Schmerzen auftreten, wo sie in welcher Intensität zu spüren sind, ob es auslösende Faktoren gibt oder ob sie nur bei bestimmten Tätigkeiten auftreten und ggf. schon vor der Operation bestanden haben. Dieses ausführliche Patientengespräch ist wichtig, um den Leidensdruck einzuordnen. In einem zweiten Schritt werden mit Hilfe von Röntgenbildern mögliche mechanische Ursachen wie z.B. eine Lockerung oder ähnliche Abnormitäten festgestellt. Zudem werden bei einer klassischen Untersuchung die Beweglichkeit, die Fußstellung und das Laufverhalten beurteilt. Nicht immer lässt sich eine klare Ursache feststellen, manchmal gleicht es eher der Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. In jedem Fall ist es ein aufwändiges Prozedere, für das sich Patient und Kniespezialist ausreichend Zeit nehmen müssen.“
Wie können Sie schmerzhafte Knieprothesen behandeln?
PD Dr. Kohl: „Das Ziel ist in jedem Fall, die Beschwerden zu lindern oder ganz zu beseitigen. Ob und welche Maßnahmen ergriffen werden, entscheidet letztendlich der Patient. Die Therapie muss individuell auf die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten abgestimmt sein. Einem 60-jährigen, schwerarbeitenden Mann, der nach dem Einsetzen einer Knieprothese unter einer Instabilität leidet, wird man eher zu einer Nachoperation raten als einer 85-jährigen Frau, die vielleicht nur einmal am Tag eine kleine Runde ums Haus geht. Auch bei einem schwierigen Befund wie z.B. einer Instabilität der Seitenbänder gibt es immer verschiedene Optionen. Man kann diese Bänder leider nicht einfach straffen. Der Patient kann also zunächst abwarten, ob sich die Beschwerden von selbst geben. Er kann sich für eine konservative Therapie mit Bandagen, Physiotherapie und Medikamenten entscheiden. Auf gar keinen Fall sollte bei einem unklaren Befund sofort nachoperiert werden. Eine Revision sollte nur dann erfolgen, wenn die Ursache für die Schmerzen klar vorliegt und operativ korrigiert werden kann.“
Kommt es häufig vor, dass eine Knieprothese aufgrund von Schmerzen ausgetauscht werden muss?
PD Dr. Kohl: „Mal abgesehen von den klassischen Wechsel-OPs nach Ablauf der gängigen Standzeiten, also der Haltbarkeit von Prothesen, nach ca. 15 bis 20 Jahren, werden recht wenige der Knieendoprothesen vorzeitig ausgetauscht. Die häufigsten Gründe sind hierbei vor allem Infekte (1-2 %) sowie Instabilitäten und frühzeitige Lockerungen. Und auch wenn dieses Gerücht gerne verbreitet wird: Nur 1 bis 2 Prozent wurden tatsächlich falsch implantiert.“
Wie groß ist die Gefahr von Komplikationen bei Wechseloperationen von Knieprothesen?
PD Dr. Kohl: „Die modernen Revisionsprothesen, die uns heutzutage zur Verfügung stehen, sind sehr guter Qualität, d.h. ein bis zwei Wechsel sind für die Patienten gut zu verkraften. Danach wird es schwieriger. Denn mit jeder Wechsel-OP steigt natürlich das Infektionsrisiko und es wird von Mal zu Mal mehr Knochenmaterial abgetragen, d.h. die Knieprothesen werden automatisch größer. Grundsätzlich sind Wechseloperationen keine Seltenheit mehr. Die Menschen im mittleren und auch im fortgeschrittenen Alter sind heute viel aktiver und auch die Lebenserwartung ist höher. Wenn eine Prothese bereits im Alter zwischen 50 und 60 Jahren eingesetzt wird, steht mit 70 bis 80 Jahren in jedem Fall eine Wechsel-OP an, weil selbst die beste Prothese irgendwann Verschleißerscheinungen entwickelt.“
Was können Patienten tun, damit nach dem Einsetzen einer Knieprothese möglichst keine Schmerzen auftreten?
PD Dr. Kohl: „Wichtig ist eine gute Aufklärung im Vorfeld. Der Patient muss wissen, was ihn erwartet, was möglich ist und was nicht. Je besser die Prothese als ein eigenes, neues Gelenk akzeptiert und nicht als Fremdkörper wahrgenommen wird, desto besser ist das Ergebnis. Patienten, die zu einer Knieprothese überredet wurden oder zu früh operiert wurden, neigen eher zu Komplikationen. Nach dem Einsetzen der Knieprothese ist eine gesunde Aktivität möglich. Ein Überstrapazieren des Gelenks sollte vermieden werden. Dies ist z.B. leicht bei Sportarten wie Marathonläufen, Squash oder Fußball der Fall. Ein übermäßiges Schonen des operierten Knies ist ebenfalls schädlich. Am besten ist es, das Knie so schnell es geht für normale Alltagsbewegungen zu trainieren.“
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