Effektive Hilfe bei Keratokonus
Keratokonus
Die Augenkrankheit Keratokonus ist eine meist beidseitig auftretende Hornhautdegeneration, die das Sehvermögen deutlich verringert. Betroffen sind vor allem jüngere Menschen. Anstelle einer Hornhauttransplantation kann das sogenannte „UV Crosslinking“ gute Erfolge bringen, bestätigt Prof. Dr. med. Theo Seiler, Spezialist für Augenheilkunde und Chefarzt der IROC AG, dem Institut für Refraktive und Ophthalmo-Chirurgie in Zürich.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Welche Patientengruppen sind besonders häufig von einem Keratokonus betroffen?
Prof. Seiler: „Die Augenkrankheit tritt häufig zum ersten Mal in der Pubertät auf und verschlechtert sich bis zu einem Alter von etwa 35 Jahren. Wir gehen heute davon aus, dass vermutlich eine angeborene und auch vererbliche Bindegewebsschwäche die Ursache dieser Augenerkrankung ist. Im Verlauf des Keratokonus wird die Hornhaut im Auge immer dünner und wölbt sich durch den Augendruck kegelförmig aus. Verstärkt wird dieser Effekt bei Allergikern, da das Reiben der juckenden Augen den Druck im Auge erhöht. Die Progression endet mit etwa 35 Jahren, weil sich die Hornhaut im Laufe des Lebens bzw. des Alterns verfestigt. Wer bis dahin keinen Keratokonus hat, hat Glück, dann ist die Gefahr gebannt.“
Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei einem Keratokonus?
Prof. Seiler: „Der typische Verlauf beginnt mit einer sich laufend verstärkenden Brille, die trotzdem zum Teil nur 40 bis 50 Prozent der Sehkraft erhalten kann. Es folgen Kontaktlinsen, bis auch diese durch die Wölbung der Hornhaut nicht mehr gut sitzen. Häufig wurde dann in der Vergangenheit eine Hornhauttransplantation durchgeführt. Dieser Eingriff ist überflüssig geworden, seit 1995 in Dresden das UV Crosslinking - Verfahren entwickelt wurde. Damit können wir in über 90 Prozent aller Fälle den Verlauf der Erkrankung stoppen, auch bei Jugendlichen und Kindern. Wir haben sogar festgestellt, dass wir eine 20- bis 30-prozentige Revision, also eine Abflachung, erreichen können. Eine Studie aus Cleveland im US-Bundesstaat Ohio hat festgestellt, dass es am effektivsten ist, wenn man nur eine kleinere Fläche der Hornhaut festigt. Das Verfahren nennt sich ‚Customized Crosslinking’. Die Studie hat nachgewiesen, dass damit sogar eine Abflachung von rund 60 Prozent erreicht werden kann. Das entspricht etwa 3 Dioptrin und ist klinisch signifikant. In einigen Fällen war sogar eine Verbesserung um 5 bis 6 Dioptrin möglich.“
Was genau ist UV Crosslinking?
Prof. Seiler: „Mit dieser Methode fördern wir die Vernetzung der Hornhaut, um wieder ausreichend Stabilität herzustellen. Dabei wird das Auge zunächst mit Tropfen betäubt. Nach dem Eröffnen der Hornhaut wird das Auge zunächst 10 Minuten lang mit einer Riboflavinlösung (Vitamin B2) getropft. Anschließend folgt für 10 bis 20 Minuten eine Bestrahlung mit UV-Licht. Das behandelte Auge wird anschließend für drei Tage mit einem Salbenverband geschützt. In den nächsten Wochen kommt dann nach und nach die Sehkraft zurück.“
Wie aufwändig und belastend ist dieser Eingriff?
Prof. Seiler: „Es ist eine unproblematische OP, sowohl bei Erwachsenen, als auch bei Jugendlichen oder Kindern. Die Behandlung selbst ist völlig schmerzfrei. Ein großer Nachteil sind die Folgeschmerzen in den ersten drei Tagen nach der Operation. Hier helfen aber Augentropfen und Schmerzmedikamente. Während der ersten drei Tage sind täglich Nachkontrollen erforderlich, um auszuschließen, dass sich Entzündungen bilden.“
Wie risikoreich ist im Vergleich dazu eine Hornhauttransplantation?
Prof. Seiler: „Eine Hornhauttransplantation sollte das letzte Mittel sein, wenn nichts anderes mehr geht. Sie zählt zu den schwierigsten Eingriffen der Augenchirurgie. Wir können nicht garantieren, dass der Patient anschließend gut sieht und die Operation birgt eine nicht zu unterschätzende Gefahr durch die Nähte und Vernarbungen. In 10 Prozent der Fälle stößt das Auge die fremde Hornhaut wieder ab. Bis zur Entwicklung des Crosslinkings wurde die Hornhauttransplantation bei Keratokonus häufig durchgeführt. Seitdem verzeichnen wir aber einen Rückgang um rund 25 Prozent. Das bedeutet natürlich auch eine enorme Kostenersparnis für die Krankenversicherungen und hat auch den Mangel an Hornhauttransplantaten beseitigt, die nun wieder ausreichend für andere Augenerkrankungen bereitstehen.“
Wie gut sind die langfristigen Heilungsaussichten beim Crosslinking?
Prof. Seiler: „Ein Re-Crosslinking, also eine Wiederholung, ist äußerst selten. Wenn überhaupt, dann bei Neurodermitis-Patienten, die sich häufig am Auge reiben und den Augendruck dadurch ständig erhöhen. Bei allen anderen reicht eine Behandlung. Zumal der Keratokonus-Verlauf durch die normale Verhärtung der Hornhaut im Laufe des Alterungsprozesses sowieso zum Erliegen kommt. Das Problem ist eher, dass ein Keratokonus häufig gar nicht oder zu spät diagnostiziert wird. Die meisten Menschen holen sich bei Sehproblemen eine Brille beim Optiker und gehen nicht zum Augenarzt. Allerdings ist nur bei einem Facharzt eine klare Diagnose möglich, normalerweise im Rahmen einer Bildgebung.“
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