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Hoffnung durch neue Krebstherapien

Lungenkarzinom

Das Lungenkarzinom gehört zu den aggressiven Krebstumoren, spricht aber gut auf neue Therapieformen an, erklärt Dr. med. Wolfgang Gesierich, Spezialist für Pneumologie und Chefarzt des Lungenzentrums im Helios Klinikum München West.

Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO

Welche Symptome deuten auf ein Lungenkarzinom hin?

Lungenzentrum im Helios Klinikum München West

Dr. Gesierich: „Zu den typischen Symptomen gehören Atemnot, anhaltender Husten, blutiger Auswurf oder Brustschmerzen. Leider treten diese Symptome erst recht spät im Krankheitsverlauf auf, so dass Lungenkarzinome häufig erst in einem fortgeschrittenen Stadium bemerkt werden. Aus diesem Grund gibt es konkrete Pläne, bei Risikopersonen in den nächsten Jahren ein Lungenkrebs-Screening mit Niedrigdosis-Computertomographie einzuführen, um Lungenkarzinome möglichst in einem frühen Stadium zu diagnostizieren.“

Welche Diagnostik ist bei Verdacht auf ein Lungenkarzinom erforderlich?

Dr. Gesierich: „Im ersten Schritt wird in der Regel ein klassisches Röntgenbild erstellt. Wenn sich hier ein Verdacht ergibt, folgen eine Computertomographie und eine Bronchoskopie, einer Untersuchung der Lunge von Innen. Um bei einem Verdacht auf ein Lungenkarzinom abzuklären, ob dieses bereits Metastasen in anderen Körperbereichen gebildet hat, erfolgt im nächsten Schritt eine Umfelddiagnostik mit einer Magnetresonanztomographie (MRT) des Schädels und einer CT des Bauchraums (Abdomen). In den meisten Fällen wird auch eine sogenannte PET CT ergänzt, bei der den Patienten eine radioaktiv markierte Zuckerlösung injiziert wird. Diese reichert sich vorwiegend in Tumorgewebe an. Unterlegt mit dem CT-Bild ergibt sich daraus eine genaue Lagebestimmung des Tumors und von Metastasen.“

Wie groß ist die Gefahr, dass ein Bronchialkarzinom Metastasen bildet?

Dr. Gesierich: „Lungenkarzinome gehören zu den aggressiven Tumoren mit einer hohen Sterblichkeit. 60 bis 70 Prozent sind bei Diagnosestellung bereits fernmetastisiert. Betroffen von den Metastasen sind hauptsächlich das Gehirn, Knochen, Nebennieren oder die Leber.“

Welcher Lungenkrebs kann operiert werden, welcher nicht?

Dr. Gesierich: „Leider sind nur etwa 30 Prozent der Lungentumore operabel. Bei kleinzelligen Lungentumoren ist eine Operation nicht angezeigt. Bei nicht-kleinzelligen Tumoren, die in einem frühen Stadium diagnostiziert werden, kann man operieren. Allerdings nur dann, wenn diese auf den Brustkorb und einen Lungenlappen beschränkt sind und lediglich die Lymphknoten auf derselben Seite befallen sind. Eine weitere Bedingung ist eine ausreichende Lungenfunktion, sowohl vor als auch nach der OP. Starke Raucher oder Patienten mit COPD (chronisch obstruktive Lungenerkrankung) mögen in einigen Fällen vielleicht technisch operabel sein, aber ihre Lungenfunktion würde eine Operation nicht verkraften.“

In welchen Fällen kommen bei einem Lungenkarzinom eine Radio- bzw. eine Chemotherapie zum Einsatz?

Dr. Gesierich: „Bei funktionell inoperablen Patienten mit kleinen Tumoren würde man eine Radiotherapie, eine Bestrahlung, einleiten. Bei fortgeschrittenen Tumoren, die zwar auf den Brustraum beschränkt aber nicht operabel sind, gibt es zum Teil Heilungschancen durch eine Kombination aus Radio- und Chemotherapie. Bei einem Stadium 4-Lungenkarzinom, das weit ausgebreitet ist, würde eine Radiotherapie nur palliativ verabreicht werden, z.B. bei Metastasen im Gehirn oder in den Knochen. Ansonsten würde man in diesem Fall auch die relativ neuen, zielgerichteten Therapien hinzuziehen. Es hat in den vergangenen Jahren eine enorme Entwicklung in der Onkologie gegeben. Die neuen Immuntherapien und zielgerichteten Therapien stellen eine bahnbrechende Chance dar, vor allem für ältere und schwer therapiefähige Patienten.“

Inwiefern sind die neuen Therapieansätze gerade für Patienten mit Lungenkrebs geeignet?

Dr. Gesierich: „Es gibt sowohl bei den zielgerichteten Therapien als auch bei den Immuntherapien hohe Ansprechraten bei Patienten mit Bronchialkarzinomen. Die zielgerichteten Therapien richten sich gegen Treiber-Mutationen, die für das rasche Wachstum der Tumorzellen verantwortlich sind. Es gibt bereits ein großes Arsenal von Medikamenten, die diese Zellen angreifen und mit nur geringen Nebenwirkungsraten eine gute Tumorkontrolle bei Stadium 4 – Patienten bewirken. Die Überlebenszeit kann mit Hilfe der zielgerichteten Therapien von wenigen Monaten auf mehrere Jahre verlängert werden. Die Immuntherapie wirkt gegen die ‚Maskierung’ der Tumorzellen. Diese haben Moleküle auf der Oberfläche, die Immunzellen hemmen und damit verhindern, dass das körpereigene Immunsystem die Tumorzellen angreift. Die Immuntherapie mit sogenannten Checkpoint-Inhibitoren reißt den Tumorzellen diese Tarnkappe herunter und wird als hocheffektiv eingestuft. Diese Therapieformen wirken vor allem bei Metastasen des Lungenkarzinoms. Gegenwärtig wird in klinischen Studien untersucht, ob diese neuen Behandlungsformen auch bei bereits operierten Patienten mit befallenen Lymphknoten einen Nutzen bringen und sich als adjuvante oder neo-adjuvante Therapie eignen, um zum Beispiel einen Tumor vor einer geplanten Operation zu verkleinern.“

Welche Entwicklungen erwarten Sie für die Therapie von Lungenkarzinomen für die kommenden Jahre?

Dr. Gesierich: „Ich bin sicher, es wird enorme Fortschritte geben, von denen zukünftig weitaus mehr Patienten profitieren können, als dies aktuell der Fall ist. Bisher profitieren von den neuen Immuntherapien nur 20 bis 25 Prozent der Patienten mit nicht-kleinzelligen Stadium 4-Lungenkarzinomen. Aktuell gibt es für vier Treibermutationen zugelassene zielgerichtete Therapien. Eine Vielzahl weiterer Treibermutationen ist aber bekannt und weitere werden entschlüsselt werden. Eine große Zahl entsprechender neuer Medikamente ist in klinischer Erprobung. Die Wirkstoffe gibt es teils bereits in der dritten Generation. Sie werden fortlaufend verbessert, auch hinsichtlich von Nebenwirkungen und möglichen Resistenzen.“

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