Durch frühzeitige Therapie die Bremse ziehen
Lungenfibrose
Eine Lungenfibrose, unter der auch die norwegische Kronprinzessin Mette-Marit leidet, ist nicht heilbar. Allerdings können eine frühzeitige Diagnose und rechtzeitiger Therapiebeginn den Verlauf der Krankheit deutlich verzögern, sagt Prof. Dr. med. Michael Tamm, Spezialist für Pneumologie und Leiter des Lungenzentrums im Universitätsspital Basel.
Interview: Susanne Amrhein, Primo Medico
Wie verändert sich die Lunge bei einer Lungenfibrose?
Prof. Tamm: „Bei einer Lungenfibrose bildet sich vermehrt Bindegewebe in der Lunge. Für den Sauerstoffaustausch zwischen Lungenbläschen und Blutgefäßen bedeutet dies, dass der Sauerstoff eine dickere Schicht passieren muss und der Sauerstoffaustausch dadurch erschwert ist. Zudem entsteht durch das vermehrte Bindegewebe und dessen Raumforderung ein Schrumpfprozess in der Lunge.“
Unter welchen Beschwerden leiden die Betroffenen?
Prof. Tamm: „Zunächst macht sich eine Lungenfibrose nur dadurch bemerkbar, dass die betroffenen Patienten bei größeren Anstrengungen unter Atemnot leiden. Im Verlauf der Erkrankung tritt diese Luftnot immer häufiger auf. Im späteren Stadium ist die Luft selbst im Ruhezustand knapp, so dass die Betroffenen auf eine Sauerstofftherapie angewiesen sind. Wichtig sind bei jeder Form der Lungenfibrose eine möglichst frühe Diagnose und ein rechtzeitiger Therapiebeginn, um den Verlauf dieser Erkrankung zu verzögern.“
Welche Ursachen hat eine Lungenfibrose?
Prof. Tamm: „Die vermehrte Bildung von Bindegewebe in der Lunge ist zum einen eine Folge von Entzündungsreaktionen. Auch Nebenwirkungen von Medikamenten können zu einer verstärkten Bildung des störenden Bindegewebes in der Lunge führen. Ursächlich ist auch die andauernde Inhalation von Noxen, wie z.B. Zigarettenrauch, Industrieabgasen und andere schädlichen Umwelteinflüssen. In einigen Fällen können auch allergische Reaktionen eine Lungenfibrose auslösen. Hier sind vor allem die allergischen Reaktionen auf einen Pilz, meist Aspergillus fumigatus, die Papageienkrankheit beim Menschen und die sogenannte Taubenzüchterlunge zu nennen. Die Ursachen der idiopathischen Lungenfibrose (IPF), die leider eine sehr ungünstige Prognose hat und häufig nach wenigen Jahren tödlich endet, sind dagegen unklar.“
Gibt es Patientengruppen, die besonders häufig betroffen sind?
Prof. Tamm: „Zu den Risikogruppen gehören Patienten, die dauerhaft Medikamente einnehmen, die die Lungenfunktion schädigen können. Auch Patienten, die an rheumatischen Erkrankungen leiden oder die durch Inhalation von Schadstoffen belastet sind, erkranken häufiger an einer Lungenfibrose als andere Menschen.“
Welche Besonderheiten weist eine zystische Fibrose (Mukoviszidose) auf?
Prof. Tamm: „Dies ist eine genetische Erkrankung, die sich deutlich von einer normalen Lungenfibrose unterscheidet. Die zystische Fibrose kann bereits bei der Geburt durch einen Blutgentest festgestellt werden. Auch hier findet sich vermehrtes Bindegewebe. Hauptproblem ist aber eine Störung, bzw. die Zerstörung der Epithelschicht, mit der alle unteren Atemwege ausgekleidet sind und die zur Immunabwehr und Reinigung der Lunge beiträgt.“
Welche Diagnoseschritte sind zum Nachweis einer Lungenfibrose notwendig?
Prof. Tamm: „Um bei Beschwerden wie Atemnot oder Luftknappheit eine Lungenfibrose festzustellen, ist zunächst eine genaue Patientenbefragung (Anamnese) notwendig. Eine Computertomographie (CT) gibt Aufschluss über interstitielle Lungenerkrankungen und das Ausmaß, in dem das Epithel geschädigt ist. Eine Lungenfunktionsuntersuchung macht das Ausmaß der Einschränkungen deutlich, ein Bluttest kann Ursachen wie z.B. rheumatische Erkrankungen nachweisen. Sofern es notwendig ist, eine Gewebeprobe zu entnehmen, kann dies im Rahmen einer Lungenspiegelung, einer Bronchoskopie, oder Kryobiopsie (Lungenspiegelung mit Gefrierbiopsie) vorgenommen werden. Denkbar ist auch eine thorakoskopische Biopsie. Dies ist allerdings ein operativer Eingriff, der deutlich aufwändiger ist.“
Welche verschiedenen Therapieansätze gibt es?
Prof. Tamm: „Es ist leider nicht möglich, eine Lungenfibrose zu heilen. Wir können aber das Fortschreiten verzögern. Sofern eine entzündliche Erkrankung als Ursache in Frage kommt, ist es wichtig, die Entzündungsprozesse durch Medikamente zu kontrollieren. Seit etwa fünf Jahren sind zwei neue, anti-fibrotische Medikamente auf dem Markt und weitere sind in Vorbereitung. Wir kennen die günstige Wirkung der Behandlung, was noch fehlt, sind Langzeitresultate. Wichtig ist im Rahmen der Therapie ein regelmäßiges Fitnesstraining. Dieses ändert zwar nichts an der eingeschränkten Lungenfunktion, aber die Muskulatur und auch unser Herz-Kreislaufsystem lernen, das Beste aus den eingeschränkten Möglichkeiten herauszuholen.“
In welchen Fällen kommt eine Lungentransplantation in Betracht?
Prof. Tamm: „Tatsächlich ist die Lungenfibrose eine der drei häufigsten Gründe für eine Lungentransplantation. Das Problem ist, dass diese nur bei jüngeren Patienten Sinn macht, die möglichst wenige Zusatzerkrankungen aufweisen. Ein Patient, der mit 72 Jahren die Diagnose „Lungenfibrose“ erhält, ist zu alt für eine Lungentransplantation. Die Schallgrenze liegt etwa bei 65 Jahren, auch wenn es natürlich immer mal wieder Ausnahmen gibt. Daher ist es auch wichtig, bei Luftknappheit möglichst rasch eine präzise Diagnose anzustreben.“
Wie hoch sind bei einer Lungentransplantation die Erfolgsaussichten, bzw. die Risiken?
Prof. Tamm: „Wir sind in der glücklichen Lage, sagen zu können, dass Lungentransplantationen fast immer gelingen. Das Frührisiko ist sehr viel geringer geworden. Dazu haben die Möglichkeiten beigetragen, das körpereigene Immunsystem von Abstoßreaktionen abzuhalten. Wichtig ist bei einer Transplantation außerdem, rasch auf beginnende Infekte zu reagieren. Wenn alles gut geht, sind die Ergebnisse fantastisch: Ich hatte einen Patienten, der vor seiner Lungentransplantation bettlägerig war. Heute fährt er wieder Ski.“
Gibt es neue Entwicklungen/Forschungen in Bezug auf Lungenfibrosen?
Prof. Tamm: „Vor allem gibt es eine neue Richtung in der medikamentösen Behandlung. Der Schwerpunkt liegt nicht mehr auf der antientzündlichen, sondern auf der antifibrotischen Wirkung. Zwar wird es auch in naher Zukunft nicht möglich sein, den Vorgang der Lungenfibrose rückgängig zu machen, aber die Bremsfunktion der Medikamente wird sicher noch deutlich verbessert. Ähnlich wie in der HIV-Medizin erwarte ich in kürzester Zeit große Fortschritte und Entwicklungen mit günstigen Prognosen für die Betroffenen.“
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