Häufige Erkrankung mit guten Heilungschancen
Brustkrebs
Der Verdacht auf Brustkrebs löst Ängste und Sorgen aus. Umso wichtiger ist eine umfassende Betreuung der betroffenen Frauen von der Erstberatung, über die optimale Therapie bis hin zur engmaschigen Nachsorge, so Dr. med. Claudia Gerber-Schäfer und Dr. med. Marion Paul, Spezialistinnen für Senologie und Leiterinnen des Brustzentrums im Vivantes Klinikum Am Urban in Berlin-Kreuzberg.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Wie schnell bekommen Patienten bei Ihnen im Brustzentrum einen Termin?
Dr. Gerber-Schäfer: „Wir evaluieren bereits beim ersten Telefonkontakt die Dringlichkeit und bieten den ersten Termin innerhalb von 24 bis 48 Stunden an. Um dies zu ermöglichen, halten wir besondere Sprechstundenkapazitäten vor. Der Vorteil unseres zertifizierten Brustzentrums liegt u.a. darin, dass wir z.B. eng mit der Radiologie kooperieren, so dass wir bei Verdacht auf ein Mammakarzinom umgehend eine Mammographie machen können und, sofern eine Biopsie angezeigt ist, diese innerhalb eines Tages vornehmen können. Bei uns arbeiten alle Abteilungen Hand in Hand, sowohl im Rahmen der Diagnostik als auch der Brustkrebstherapie. Wir unterliegen als zertifiziertes Brustzentrum einer strengen Qualitätssicherung, sowohl was die hohen OP-Fallzahlen betrifft, als auch die Qualität der Eingriffe, die Psychoonkologie und auch das spezialisierte Pflegepersonal. Zudem verfügen wir durch die hervorragende Ausstattung in unserem Brustzentrum z.B. über die Möglichkeit, eventuellen Haarausfall während einer Chemotherapie mit Hilfe von Kühlkappen zu reduzieren. Präoperativ können wir unseren Patientinnen zur Angstreduktion eine Happy Med Video Brille zur Verfügung stellen. Zudem wird unser ganzheitliches Behandlungsangebot auch durch naturheilkundliche Beratungen ergänzt.“
Welche Diagnoseschritte sind bei Verdacht auf Brustkrebs erforderlich?
Dr. Paul: „In der Regel kommen unsere Patientinnen zu uns, weil sie selbst eine Veränderung in der Brust ertastet haben oder weil ihr Frauenarzt zu uns überweist. Beim ersten Beratungsgespräch führen wir eine Tastuntersuchung und eine Ultraschalluntersuchung durch. Falls der Verdacht auf ein Karzinom bestehen bleibt, wird noch am selben eine Mammographie durchgeführt. Sofern auch dieser radiologische Befund positiv ist, bieten wir eine Biopsie an. Bei dieser Gewebeuntersuchung kann abschließend geklärt werden, ob es sich um Brustkrebs handelt und falls ja, welche Eigenschaften der Tumor aufweist.“
Was versteht man unter einer Hochgeschwindigkeitsbiopsie, wie sie bei Ihnen im Brustzentrum angeboten wird?
Dr. Gerber-Schäfer: „Es handelt sich um eine spezielle Gewebeentnahme unter Ultraschall-Sicht. Wir führen die Biopsienadel nach lokaler Betäubung direkt an den Tumor heran. Nach Auslösen schnellt die Biopsienadel mit hoher Geschwindigkeit in den Tumor, entnimmt eine Probe, zieht sich zurück und wird durch eine Hülse sicher verschlossen. Auf diese Art und Weise nehmen wir mehrere Proben und vermeiden dabei bestmöglich eine Streuung von abgelösten Tumorzellen.“
Sollte Brustkrebs immer operiert werden?
Dr. Paul: „Die Operation zählt nach wie vor zu den wichtigsten Therapieoptionen. Allerdings ist die Behandlungsmethode abhängig von den Eigenschaften des Tumors, die wir zuvor durch eine Biopsie ermitteln. Manchmal ist es sinnvoll, vor einer geplanten Operation zunächst eine Chemotherapie durchzuführen. Bei einigen Brusttumoren kommen auch neuere Antikörpertherapien in Frage.
Unter welchen Voraussetzungen können Sie bei einer Brustkrebsoperation die natürliche Brust erhalten?
Dr. Gerber-Schäfer: „Durch die Expertise in unserem Zentrum können wir zu 80 Prozent brusterhaltend operieren. Ausnahmen sind lediglich zu große Tumoren, wobei es keine definierte Grenze gibt. Wir operieren wann immer es irgendwie möglich ist mit dem Ziel, die natürliche Brust zu erhalten. In manchen Fällen liegt jedoch eine Mutation in den BRCA1 oder 2 Genen vor, so dass aufgrund des hohen lokalen Rückfallrisikos eine Entfernung der Brüste sinnvoll ist.“
Wie ersetzen Sie das entfernte Gewebe nach einer Brustkrebsoperation?
Dr.Paul: „Wenn wir das krankhaft veränderte Gewebe bei Brustkrebs entfernen, wird die operierte Brust automatisch kleiner. Wir können aber dank plastisch-rekonstruktiver Techniken die Form der operierten Brust rund und harmonisch gestalten. Dies erreichen wir in der Regel durch die Verlagerung von noch vorhandenem Brustgewebe. Und wir können natürlich auch die andere, intakte Brust in der Größe anpassen. Falls eine komplette Brust entfernt werden muss, können wir für die Brust-Rekonstruktion Eigengewebe z.B. aus dem Bauch verwenden oder auch Implantate. Diese haben den Vorteil, dass sie noch während des Ersteingriffs eingesetzt werden können.“
Sind zur Rekonstruktion der Brust in der Regel mehrere Eingriffe Operationen notwendig?
Dr. Gerber-Schäfer: „Wenn wir zum Aufbau der Brust körpereigene Transplantate verwenden, dann geschieht dies meist in zwei separaten Eingriffen. Nach der Tumorentfernung setzen wir zunächst ein Implantat ein. Wenn sicher gestellt ist, dass der Krebs wirklich vollständig entfernt wurde und das versetzte Gewebe auch nicht durch etwaige Folgetherapien belastet wird, kann das Implantat auf Wunsch in einem zweiten Eingriff durch Eigengewebe ersetzt werden. Dies erfolgt nach Abschluss der Behandlung und dem Abheilen der behandelten Brust, etwa nach einem Jahr.“
Welche Rolle spielen die sogenannten Wächterlymphknoten?
Dr. Paul: „Früher war es so, dass bei einer Brustkrebsoperation grundsätzlich mindestens zehn der axillären Lymphknoten entfernt wurden. Die Folgen waren häufig Schwellungen und Schmerzen im betroffenen Arm, sogenannte Lymphödeme. Heute entnehmen wir lediglich den ersten Lymphknoten, der Kontakt zu dem Tumorgebiet hat, sogenannten Wächterlymphknoten. Ist dieser tumorfrei, müssen keine weiteren Lymphknoten entfernt werden. Falls die Wächterlymphknoten von Krebszellen befallen sind, können nach der Operation eine Bestrahlung oder eine Chemotherapie folgen. Für den Fall, dass wir die Brustdrüse entfernen müssen, erfolgt eine Schnellschnittuntersuchung des Wächterlymphknotens noch während der Operation. Falls diese Schnelluntersuchung ergibt, dass der Wächterlymphknoten ,enthält, werden zur Sicherheit weitere Lymphknoten entfernt. Auch hier können im Anschluss eine Radio- oder Chemotherapie folgen.“
Müssen nach einer Brustkrebsoperation eine Bestrahlung oder eine Chemotherapie folgen?
Dr. Gerber-Schäfer: „ Um sicher zu stellen, dass sich nach der Tumorentfernung in der Brust keine Krebszellen mehr befinden, ist eine Lokaltherapie in Form einer Bestrahlung möglich. Bei Brustkrebs ist es allerdings wichtig, den gesamten Körper vor weiteren Tumoren oder Metastasen zu schützen. Dazu bieten sich als Folgetherapien eine Chemotherapie, eine Antihormontherapie oder eine Antikörpertherapie an. Letztere setzen voraus, dass die Biopsie ergeben hat, dass der Tumor bestimmte Andockstellen, sogenannte Rezeptoren, für eine Antihormon- oder Antikörpertherapie besitzt.“
Welche Nachsorge ist nach einer Brustkrebstherapie erforderlich?
Dr.Paul: „In den ersten drei Jahren sollten die Frauen alle drei Monate zu einer Tastuntersuchung, einer Ultraschalluntersuchung und einem Beratungsgespräch bei ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt gehen. Wir empfehlen natürlich auch eine regelmäßige Selbstuntersuchung der Brüste durch Abtasten. Einmal im Jahr sollte eine Mammographie durchgeführt werden. Im vierten und fünften Jahr nach der Brustkrebsoperation reicht ein sechs monatiges Nachsorge-Intervall. Danach reicht eine Kontrolluntersuchung pro Jahr.
Wie groß sind die Heilungschancen bei Brustkrebs?
Dr. Gerber-Schäfer: „Brustkrebs ist eine häufige Erkrankung bei Frauen, allerdings mit guten Heilungschancen. Etwa 85 Prozent der betroffenen Frauen sind fünf Jahre nach der Diagnose noch am Leben, unabhängig davon, in welchem Stadium der Brustkrebs entdeckt wurde.“
Wie groß ist die Gefahr eines erneuten Auftretens der Brustkrebserkrankung?
Dr. Paul: „Das ist individuell sehr verschieden und abhängig von den Eigenschaften des Tumors. Etwa sieben bis 20 Prozent der Patientinnen entwickeln nach der erfolgreichen Behandlung ein Lokalrezidiv oder Fernmetastasen. Bei günstigen Tumorarten treten Rezidive erst nach zehn bis fünfzehn Jahren auf. Bei aggressiveren Tumoren kann dies bereits nach zwei bis drei Jahren der Fall sein. Das ist sehr individuell, daher auch die engmaschige Nachsorge.“
Ist die Brustkrebsvorsorge in Deutschland Ihrer Meinung nach ausreichend?
Dr. Gerber-Schäfer: „Grundsätzlich haben wir eine sehr gute Vorsorgesituation errungen, u.a. auch mit hochwertigen, aussagekräftigen Mammographien. Aus unserer Sicht wäre es aber erstrebenswert, bereits Frauen ab einem Alter von vierzig Jahren engmaschiger zu kontrollieren und auch ein familiäres Risiko bezüglich Brust- und Eierstockkrebs stärker zu beobachten. Es wäre wünschenswert, wenn dies bei der Anamnese beim Frauenarzt abgefragt und ggf. weiter kontrolliert würde. Generell sollte jede Frau einmal im Monat ihre Brust eigenständig durch Tasten untersuchen, am besten eine Woche nach Einsetzen der Menstruation. Für die Zukunft erhoffen wir eine noch breiter aufgestellte personalisierte Therapie mit spezifischen Medikamenten auch bei metastasiertem Brustkrebs, um die Heilungs- bzw. Überlebenschancen weiter zu erhöhen.“
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