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Je mehr Optionen man hat, desto besser

Zielgerichtete Krebstherapien

Zielgerichtete, molekulare Therapien können Krebs zwar nicht heilen, allerdings wird in 70 bis 80 Prozent der Fälle ein positiver Effekt erreicht, betont Prof. Dr. med. Christian Meyer zum Büschenfelde, Spezialist für Onkologie und Direktor der Klinik für Hämatologie, Onkologie, Immunologie und Palliativmedizin in den St. Vincentius-Kliniken in Karlsruhe.

Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO

Was versteht man unter einer zielgerichteten, molekularen Therapie?

Prof. Meyer zum Büschenfelde: „Diese Therapieform richtet sich spezifisch gegen die molekularen Eigenschafen bestimmter Tumore, daher der Begriff ‚zielgerichtete Therapien’ oder auf englisch ‚targeted therapies’. Wir bekämpfen dabei mit Hilfe von Medikamenten jeweils gezielt nur einen Tumortyp und können dadurch auch mögliche Nebenwirkungen reduzieren.“

Für welche Krebserkrankungen eignen sich zielgerichtete, molekulare Therapien?

Prof. Meyer zum Büschenfelde: „Das Paradebeispiel ist das Bronchialkarzinom, das sehr gut auf die zielgerichtete Therapie anspricht. Auch bei GIST-Tumoren (Gastrointestinale Stromatumoren), der chronischen myeloischen Leukämie (CML) und bei Melanomen erzielen wir gute Ergebnisse.“

Wie ist der Behandlungsablauf bei einer zielgerichteten Therapie?

Prof. Meyer zum Büschenfelde: „Zunächst erfolgt eine molekulare Pathologie, d.h. wir bestimmen, welche molekulare Struktur im Tumor dazu führt, dass die Zellen sich vermehrt teilen und Tumorzellen entstehen. Diesen Prozess versuchen wir anschließend mit Hilfe von Medikamenten zu verhindern. Dabei kommt es darauf an, genau den richtigen Inhibitor zu ermitteln, der wie ein Schlüssel genau ins Schloss passen muss. Schon kleinste Veränderungen können die erwünschte Wirkung verhindern. Daher ist es wichtig, regelmäßige Kontrolluntersuchungen und neue Biopsien, also Gewebeentnahmen, durchzuführen, um bei neuen Mutationen ggf. den Inhibitor zu wechseln. Die Gabe des jeweiligen Präparats erfolgt z.T. auch in Form von Tabletten, die einmal oder auch mehrmals täglich eingenommen werden.“

Welche Nebenwirkungen hat die Therapie?

Prof. Meyer zum Büschenfelde: „Die Präparate sind in der Regel gut verträglich, so dass die Patienten weiterhin ihren Alltagsbeschäftigungen und auch ihrem Beruf nachgehen können. Abhängig von dem jeweiligen Medikament können Beschwerden wie Durchfall, Übelkeit oder auch Hautreaktionen auftreten. Haarausfall oder Erbrechen, wie man sie von einer Chemotherapie kennt, sind eher selten.“

Gibt es Ausschlusskriterien für diese Krebsbehandlung?

Prof. Meyer zum Büschenfelde: „Am Anfang steht eine Untersuchung des Tumorgewebes. Wenn diese pathologische Untersuchung ergibt, dass es für die tumorspezifischen Genveränderungen eine zugelassene Therapie gibt, dann wird diese auch primär eingesetzt. Es sind sehr teure Therapien, die zwischen 10.000 und 15.000 Euro kosten können, die aber bei entsprechender Indikation von den Krankenkassen übernommen werden.“

Wie erfolgreich sind molekulare, zielgerichtete Therapien?

Prof. Meyer zum Büschenfelde: „Wir erzielen mit dieser Therapie keine Heilung. Allerdings haben wir eine hohe Ansprechrate von 70 bis 80 Prozent. Das bedeutet konkret, dass wir bewirken, dass der Tumor sich verkleinert oder zumindest stabil bleibt. Nur sehr selten wächst der Tumor trotz der Medikamentengabe weiter. In dem Fall müssen wir überprüfen, ob sich neue Mutationen entwickelt haben und dementsprechend ein anderes Medikament wählen.“

Wo können sich Patienten mit dieser Therapie behandeln lassen?

Prof. Meyer zum Büschenfelde: „Zuständig für diese Systemtherapien sind Hämato-Onkologen. Je nach Art und Lage des Tumors arbeiten wir eng mit anderen Fachärzten, wie z.B. Dermatologen zusammen, auch, um mögliche Nebenwirkungen gut zu kontrollieren.“

Sowohl Mediziner als auch Patienten setzen große Hoffnungen in die neuen Krebstherapien – welche Chancen sehen Sie für die zielgerichteten, molekularen Therapien?

Prof. Meyer zum Büschenfelde: „Wir werden in Zukunft die spezifischen Eigenschaften der verschiedenen Tumore noch besser definieren können. Beim Lungenkrebs gibt es z.B. sehr viele unterschiedliche Formen. Hier wird es uns sicher gelingen, für noch mehr Varianten erfolgreiche Therapien anzubieten. Ich sehe uns auch nicht in Konkurrenz zur Radiologie oder zur Krebschirurgie. Sondern je mehr Optionen man hat, desto besser. Auch die Immuntherapien werden sich in Zukunft rasant weiter entwickeln.

Der größte Erfolg ist sicher, wenn die betroffenen Patienten trotz ihrer Krebserkrankung länger leben. Früher sind die meisten Patienten mit der Diagnose ‚Lungenkarzinom’ innerhalb eines Jahres verstorben. Heute liegt das Langzeitüberleben bei 30 Prozent. Vor kurzem war ein Patient bei mir, der bei uns in der Klinik schon von meinem Vor-Vorgänger behandelt wurde, insgesamt ist er mittlerweile 30 Jahre in Therapie und lebt immer noch. Es handelt sich keineswegs um einen medizinischen Superstar, sondern Behandlungserfolge wie diese sind keine Seltenheit.“

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