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"Schaufensterkrankheit" rechtzeitig behandeln

PAVK

Die so harmlos klingende Gefäßerkrankung kann schwere Durchblutungsstörungen oder Amputationen zur Folge haben: Die Periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK), im Volksmund „Schaufensterkrankheit“, ist eine Erkrankung der Blutgefäße der Beine, bei der es durch eine Verkalkung der Arterien (Arteriosklerose) zu Verengungen oder zum Verschluss von Gefäßen und damit zu Durchblutungsstörungen kommt. Prof. Dr. med. Bernhard Dorweiler ist Spezialist für Gefäßchirurgie und Sektionsleiter der Gefäßchirurgie der Klinik und Poliklinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie der Universitätsmedizin Mainz. Er beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die PAVK.

Interview: Susanne Amrhein, Primo Medico

Wie erkennen Betroffene, ob Sie unter der sogenannten „Schaufensterkrankheit“ leiden?

Prof. Dorweiler: „Typische Symptome im Anfangsstadium sind ziehende Schmerzen in der Wade, die beim Gehen, Treppensteigen oder anderen Belastungen auftreten. Typisch für die PAVK ist, dass die Schmerzen sofort verschwinden, wenn der Betroffene stehen bleibt. Daher kommt auch die Bezeichnung ‚Schaufensterkrankheit’, weil die Patienten immer ein Stückchen gehen und dann wieder stehenbleiben, wie bei einem Schaufensterbummel. Im weiteren Verlauf der Erkrankung treten die Schmerzen auch im Ruhezustand auf, z.B. beim Liegen, nachts im Bett, häufig dann auch an den Füßen. Im letzten Stadium sterben durch die mangelhafte Durchblutung Haut und Gewebe ab. Es entstehen offene Wunden und es droht dann auch die gefürchtete Amputation.“

Gibt es Patientengruppen, die besonders häufig von einer PAVK betroffen sind?

Prof. Dorweiler: „Ja, besonders gefährdet sind Raucher. Rasant zunehmend auch Diabetiker, die ja zusätzlich der Gefahr ausgesetzt sind, Empfindungsstörungen, eine sogenannte Neuropathie, zu entwickeln. Das bedeutet u.a., ihnen fehlt der Schutzmechanismus, um z.B. drückende Schuhe oder Wunden zu bemerken. Ein hohes PAVK-Risiko gibt es auch bei Menschen mit hohem Blutdruck oder hohen Cholesterinwerten, sowie bei einer familiären Vorbelastung. Häufig beobachten wir an den PAVK-Patienten eine Kombination dieser Risikofaktoren.“

Wie wird die Schaufensterkrankheit diagnostiziert?

Prof. Dorweiler: „Die einfachste Methode ist das Tasten des Pulses am Fuß. Wenn er sich ertasten lässt, ist die Durchblutung in der Regel gut. Sollte er nur reduziert oder gar nicht zu Ertasten sein, besteht mit ziemlicher Sicherheit irgendwo ein Durchblutungsproblem, vermutlich eine Verengung (Stenose). Im nächsten Schritt wird dann mit Hilfe einer schmerzlosen Ultraschalluntersuchung die Durchblutung überprüft. Parallel kann mit einer Blutdruckmanschette der sogenannte Knöchel-Arm-Index bestimmt werden, der aussagt, wie groß die Blutdruckunterschiede zwischen einer Messung am Arm und am Fußknöchel sind. Eine Duplex-Sonografie kann Verkalkungen in Gefäßwänden sichtbar machen. Wenn eine Durchblutungsstörung festgestellt und wurde, kann mittels einer Angiografie, die das Blutgefäß mit Hilfe von Kontrastmitteln und einer Röntgenaufnahme, Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) abbildet,  der Schaden genauestens lokalisiert und beurteilt werden.“

Wie kann eine PAVK behandelt werden?

Prof. Dorweiler: „Die Basistherapie besteht zunächst darin, die auslösenden Faktoren optimal zu behandeln, also Blutdruck, Blutzucker und Cholesterin medikamentös einzustellen. Rauchern können wir nur raten, aufzuhören. Oft bringt diese erste Stufe bereits Linderung. Der Körper kann sich sehr gut selbst regenerieren, wenn man ihn ein wenig unterstützt. Parallel dazu erhalten PAVK-Patienten ein Gehtraining, das helfen kann, eine Gehstrecke von nur noch 100 Metern wieder auf 400 Meter auszuweiten. Erst wenn das alles nicht hilft, kommen invasive Verfahren in Frage. Bei Engstellen oder Verschlüssen unter 15 Zentimetern Länge können wir minimalinvasiv mit nur einem kleinen Einstich in die Leiste einen Ballonkatheter in die betroffene Schlagader einführen und die verkalkte Stelle aufdehnen. In einigen Fällen macht es Sinn, anschließend einen Stent, eine Gefäßstütze, zu implantieren, damit die Blutbahn sich nicht wieder verengt. Dazu müssen Patienten nur eine Nacht in der Klinik verbringen, es ist z.T. sogar ambulant möglich. Für langstreckige Verschlussprozesse (mehr als 15cm) steht die klassische Bypassoperation als Behandlung zur Verfügung, bei der wir eine Umleitung  von der Leisten- zur Unterschenkelschlagader anlegen. Das ist schon ein etwas größerer Eingriff, der bis zu drei Stunden dauern kann. Für den Bypass verwenden wir wann immer möglich körpereigenes Gefäßmaterial, z.B. aus einer Vene an der Innenseite des Beines (Vena saphena magna).“

Wie groß sind die Heilungschancen?

Prof. Dorweiler: „Bei den beiden chirurgischen Verfahren ist der Erfolg sofort spürbar, da die Ursache, die Durchblutungsstörung, behoben wurde. Ein Gehtraining braucht natürlich Wochen und zum Teil auch Monate, bis der Körper sich an die neuen Herausforderungen gewöhnt hat. Grundsätzlich muss man aber sagen, dass wir mit allen Therapieverfahren lediglich ‚die Uhr zurückstellen’. Eine PAVK ist eine ernste Erkrankung, von der ein Patient nicht vollständig geheilt werden kann. Eine Durchblutungsstörung, die sich in den Beinen bemerkbar gemacht hat, kann beim nächsten Mal am Herzen oder am Gehirn auftreten. Ein Gefäßpatient muss wie ein Fahrzeug mindestens einmal pro Jahr zur ‚Inspektion’, bzw. zur Kontrolle und Nachsorge zum Gefäßspezialisten. Wenn wir Durchblutungsstörungen früh erkennen, können wir diese mit geringem Aufwand behandeln. Werden sie zu spät diagnostiziert, kann es gefährlich werden.“

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