Sicherheit und Präzision dank Roboter-Technik
Roboter-assistierte Prostatachirurgie
Prostatakrebs ist die häufigste bösartige Tumor-Erkrankung bei Männern. Bei der Entfernung der Prostata kann die moderne Robotertechnik entscheidend dazu beitragen, die Nerven für die Potenz und die Strukturen für die Harnkontinenz zu erhalten, erklärt PD Dr. med. Jörn H. Witt.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Bei welchen Prostata-Erkrankungen operieren Sie roboter-assistiert?
Dr. Witt: „Bei uns im Zentrum operieren wir die sehr komplexen Prostata-Karzinomerkrankungen grundsätzlich roboter-assistiert. Aber auch bei einer ausgeprägten gutartigen Vergrößerung der Prostata ist ein Eingriff mit dem da Vinci®-Operationsroboter eine gute Alternative zum offenen Verfahren.“
Was kann der Roboter besser als Chirurg und Assistenzärzte bei einer „manuellen“ Operation?
Dr. Witt: „Der Roboter ist ein Präzisions-Werkzeug, das von mir als Operateur bedient wird. Von alleine führt er keine Aktionen aus. Der große Vorteil ist, dass er 4 Arme hat, die über eine größere Beweglichkeit und Drehbarkeit verfügen als eine menschliche Hand. Er ermöglicht durch die eingeführte Kamera an einem der Arme eine dreidimensionale und vielfach vergrößerte Sicht auf das Operationsgebiet. Die Steuerung gleicht leichtes Zittern der Hand aus und ermöglicht ein präzises Arbeiten selbst an feinsten Organstrukturen. In der Hand eines erfahrenen Anwenders ist der da Vinci®-Roboter somit ein geniales Hightech-Werkzeug für Operationen an der Prostata.“
Sie haben nur zwei Hände – wie steuern Sie gleichzeitig vier Roboterarme?
Dr. Witt: „Das geht natürlich nicht, ich bediene immer zwei Arme gleichzeitig. Ein Roboterarm ist durch die Kameraoptik belegt, die ja nicht ständig bewegt werden muss. Die anderen drei Arme führen die Operationsinstrumente, die zum Teil auch Halteaufgaben übernehmen und entsprechend in einer Position fixiert werden können. Ich kann als Operateur zwischen den verschiedenen Roboterarmen umschalten, so dass ich jeweils nur die bewege, die ich gerade benötige.“
Wie viel Erfahrung braucht es, bis man den da Vinci® bei einer Prostataoperation in allen Situationen sicher beherrscht?
Dr. Witt: „Grundsätzlich unterscheidet sich ein operativer Eingriff mit dem da Vinci® nicht von einer offenen oder laparoskopischen Operation. Der Operateur muss sein Handwerk beherrschen. Dazu braucht es unabhängig vom jeweiligen Verfahren Erfahrung und natürlich zunächst auch Aufsicht wie beim Unterricht in einer Fahrschule. Das Ausbildungs-Curriculum dauert in etwa ein Jahr, ehe man eigenverantwortlich operieren kann. Um die notwendige Erfahrung mit dem Operations-Roboter zu sammeln, braucht es etwa 500 Eingriffe. Ich selbst habe mittlerweile mehr als 7500 roboter-assistierte Operationen ausgeführt. Und ich lerne immer noch etwas dazu.“
Anders als bei einer offenen OP können Sie nichts ertasten – ist dieser fehlende Sinneseindruck nicht ein Nachteil?
Dr. Witt: „Das wird zwar immer wieder thematisiert, ist aber eine Fehleinschätzung. Auch in der offenen Chirurgie operiert man nicht mit den Fingern, sondern nutzt Instrumenten wie Schere oder Zange, die auch nicht über Tastsensoren verfügen. Im Unterschied zur offenen Chirurgie verfügt der da Vinci® zudem über eine hervorragende Optik. Die Kamera stellt das Operationsgebiet 10- bis 20-fach vergrößert dar. Die Lupenbrille, die wir bei offenen Operationen verwenden, ermöglicht gerade mal eine 3- bis 4-fache Vergrößerung. Wie bereits erwähnt, verfügen die Roboterarme über mehr Freiheitsgrade und Drehmöglichkeiten als das menschliche Handgelenk. Als Vergleich können Sie sich einen Heimwerker vorstellen, der eine Kreuzschlitzschraube mit einem normalen Schlitz-Schraubenzieher eindreht. Das geht natürlich, ist aber mit dem passenden Werkzeug sehr viel einfacher. Und um ein Beispiel aus der Praxis zu nennen: Wenn nach einer erfolgten Sterilisation der Wunsch besteht, die durchtrennten Samenleiter wieder zusammenzunähen, dann verwenden wir dafür äußerst feine Fäden, die unter dem normalen Operationsmikroskop immer mal wieder reißen. Dies passiert sehr viel seltener, wenn für diesen Eingriff der Roboter eingesetzt wird.“
Viele Prostata-Patienten haben Angst, nach der OP unter Inkontinenz und Impotenz zu leiden. Wie groß ist dieses Risiko bei einem roboter-assistierten Eingriff?
Dr. Witt: „Auch hier kommt es maßgeblich auf die Erfahrung des Operateurs an. Wenn sie oder er mit dem Werkzeug gut umgehen kann, ist das Risiko deutlich kleiner. Die große Präzision ermöglicht die bestmögliche Schonung der empfindlichen Nerven. Manchmal ist es allerdings notwendig, mehr Gewebe abzutragen, um den Tumor vollständig zu entfernen. Damit erhöht sich natürlich das Risiko unerwünschter Folgen. Insgesamt betrachtet verringern roboter-assistierte Verfahren aber Risiken und Komplikationen.“
Wie schnell sind die Patienten nach einer roboter-assistierten Prostata-OP wieder fit?
Dr. Witt: „Eingriffe mit dem da Vinci®-Operationsroboter sind minimal-invasiv und sehr schonend für die Patienten. In anderen Ländern werden die Patienten bereits am ersten Tag nach der OP wieder entlassen. Das wäre theoretisch auch bei uns möglich, aber es ist aus meiner Sicht von Vorteil, dass sich die Patienten nach dem Eingriff erholen können und sich sicher betreut fühlen. Abhängig davon, wann der Katheter entfernt werden kann, bleiben unsere Patienten im Schnitt 5 Tage im Krankenhaus. Nach der Entlassung sollten sie auf ihren Körper hören und sich nicht zu viel zumuten. Falls nicht gerade schwere körperliche Tätigkeiten erforderlich sind, können die meisten nach ein bis zwei Wochen wieder zur Arbeit gehen.“
Können Sie sich vorstellen, das da Vinci®-Operationssystem demnächst auch bei anderen Erkrankungen einzusetzen?
Dr. Witt: „Die Robotertechnik kommt bereits bei vielen rekonstruktiven und komplexen Eingriffen zum Einsatz, zum Beispiel am Harnleiter, der Blase, der Niere oder den Nebennieren. Besonders wenn es darum geht, im Rahmen einer Tumorentfernung ein Organ und seine Funktion so gut es geht zu erhalten, ist der da Vinci® ein hervorragendes Werkzeug für einen erfahrenen Operateur.“
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