Werden Lungenmetastasen zu selten operiert?
Lungenmetastasen
Unter bestimmten Voraussetzungen bietet eine Operation gute Heilungschancen, erklärt Prof. Dr. Peter Kleine, Spezialist für Thoraxchirurgie, Klinikleiter und Chefarzt der Klinik für Thoraxchirurgie im Sana Klinikum Offenbach.
Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Warum siedeln sich Metastasen häufig in der Lunge an?
Prof. Kleine: „Das liegt daran, dass das gesamte Blutvolumen durch die Lunge fließt, weil es dort mit Sauerstoff angereichert wird und Kohlendioxid abgibt. Durch diesen Gasaustausch gibt es einen engen Kontakt zwischen Blut und Lungengewebe. Wenn mit dem Blut einzelne Tumorzellen von Tumoren in anderen Körperstellen in die Lunge gelangen, können sie sich dort ansiedeln und Lungenmetastasen bilden.“
Wie gefährlich sind Lungenmetastasen?
Prof. Kleine: „Lungenmetastasen sind gefährlich und können zum Tod führen. Die Lunge ist ein sehr gut durchblutetes Organ. Durch die Metastasen können die feinen Blutgefäße in der Lunge zerstört werden und zum sogenannten Bluthusten (Hämoptyse oder Hämoptoe) führen. Außerdem können aus Lungenmetastasen weitere Streuherde entstehen, die durch das Blut oder Lymphgefäße in den ganzen Körper transportiert werden.“
Welche Symptome verursachen Lungenmetastasen?
Prof. Kleine: „Da die Lunge selbst über keine Schmerzrezeptoren verfügt, werden Lungenmetastasen häufig erst spät entdeckt. Nämlich dann, wenn Komplikationen wie Bluthusten oder Schmerzen durch Einwachsen in umgebende Strukturen auftreten, beispielsweise wenn die Metastasen die Brustwand durchwachsen.“
Wie werden Lungenmetastasen diagnostiziert?
Prof. Kleine: „Meistens werden Lungenmetastasen im Rahmen der Tumornachsorge entdeckt. Einige bilden sich allerdings erst lange nach einer augenscheinlich geheilten Tumorerkrankung, wenn die eigentliche Nachsorge bereits beendet ist. Hier werden die Metastasen dann meist als Zufallsbefund diagnostiziert. Fakt ist, dass einfache Röntgenbilder häufig nicht ausreichen. Um kleinere Metastasen festzustellen, ist eine Computertomographie (CT) notwendig.“
In welchen Fällen können Lungenmetastasen operiert werden?
Prof. Kleine: „Um ein gutes chirurgisches Ergebnis zu erreichen, sollten drei wichtige Voraussetzungen erfüllt werden:
- Erstens ist der OP-Erfolg abhängig von der Situation des Primär-Tumors. Dieser sollte lokal erfolgreich behandelt sein.
- Zweitens sind die Ergebnisse der Lungenmetastasenchirurgie bei unterschiedlichen Ausgangstumoren auch unterschiedlich. Wir wissen, dass Lungenmetastasen von Keimzelltumoren, Darmkrebs und Brustkrebs gute Operationsergebnisse ermöglichen. Schlechter sieht es beispielsweise bei Lungenmetastasen von Haut- oder Nierenzelltumoren aus.
- Drittens darf die Anzahl der Metastasen nicht zu groß sein. Das bestmögliche Ergebnis erzielen wir natürlich bei einer Solitärmetastase, das heißt nur einer einzigen Ansiedlung. Bei bis zu 5 Lungenmetastasen ist eine Operation allerdings immer noch erfolgversprechend.
Darüber hinaus wird es schwierig und sollte nur in Einzelfällen erwogen werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Metastasenchirurgie der Lunge ist, dass keine weiteren Tumorherde in anderen Körperregionen bestehen. In diesem Fall würde man nur operieren, falls Komplikationen drohen. Sind die oben genannten 3 Voraussetzungen erfüllt, sind die chirurgischen Ergebnisse in der Regel gut.“
Wie werden Lungenmetastasen operiert?
Prof. Kleine: „Der Standard ist ein minimal-invasiver Eingriff, eine sogenannte Thorakoskopie. Dies ist ein sehr schonender Eingriff mit nur 1 Zentimeter langen Schnitten als Zugang zum Brustraum. Falls sich die Metastasen im Zentrum der Lunge angesiedelt haben, kann auch eine offene OP über eine sogenannte Thorakotomie erfolgen. Allerdings wählen wir auch hier einen Zugang im Rippenzwischenraum, um muskel- und knochenschonend zu operieren und so die Lebensqualität des Patienten möglichst wenig zu beeinträchtigen.“
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Sind nach der OP weitere Krebsbehandlungen erforderlich?
Prof. Kleine: „Häufig folgt dem Eingriff eine Immuntherapie oder Chemotherapie, seltener eine Bestrahlung. In vielen Fällen erfolgt allerdings bereits vor der Operation eine Chemotherapie, um bestehende Metastasen zu verkleinern und ein weiteres Wachstum zu verhindern.“
Wie sind die Erfolgsaussichten bei der chirurgischen Entfernung von Lungenmetastasen?
Prof. Kleine: „Die 5-Jahres-Überlebensrate nach der Entfernung einer Lungenmetastase liegt bei 50 Prozent. Falls mehrere Metastasen entfernt wurden, liegt sie bei 36 Prozent. Als Zahl klingt das nicht viel. Aber letztendlich bedeutet es, dass jeder zweite bzw. dritte Patient geheilt werden kann. Und das ist beachtlich, finde ich.“
Warum werden Lungenmetastasen relativ selten operiert?
Prof. Kleine: „In modernen Krebszentren werden die einzelne Fälle der Patienten in fachübergreifenden Tumorkonferenzen besprochen, um die bestmögliche Therapie festzulegen. Allerdings ist bei diesen Konferenzen nicht immer ein Thorax-Spezialist dabei. Ich bin der Meinung, jeder Patient, der weniger als 5 Lungenmetastasen hat, sollte einmal einem Thoraxschirurgen vorgestellt werden.
Erfreulich ist allerdings, dass die Anzahl der Lungenmetastasen-OPs stetig steigt. Ich gehe davon aus, dass in Zukunft mehr Patienten von einer solchen Operation profitieren können. Hinzu kommt, dass unsere Operationsverfahren immer schonender werden. Das ist vor allem für ältere Patienten wichtig. Die fortschreitende Zertifizierung trägt auch ihren Teil dazu bei, weil sie sicherstellt, dass vorgegebene Behandlungsstandards eingehalten werden.“
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