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Personalisierte Medizin: Diagnostik und Therapie nach Maß

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PRIMO MEDICO Fachredaktion

Personalisierte Medizin: Therapien nach Maß

Jeder Mensch ist einzigartig – und auch jede Krankheit. Das beste Beispiel: Bei einigen Menschen wirken bestimmte Medikamente sofort, bei anderen mit der gleichen Erkrankung gar nicht.

Die moderne Medizin versucht daher immer mehr, individuelle Besonderheiten zu berücksichtigen. Diese Entwicklung wird als personalisierte Medizin bezeichnet. Das bedeutet konkret: Weg von der Einheitsbehandlung, hin zu einer individualisierten Therapie, die auf genetischen Informationen, individuellen Risikofaktoren, Krankheitsverlauf und Lebensstil basiert.

Ob in der Onkologie, der Kardiologie oder bei seltenen Erkrankungen: Personalisierte Medizin ist der Schlüssel zu präziseren Diagnosen, wirksameren Behandlungen und mehr Lebensqualität. Dabei spielen jüngste Forschungen und auch neue Technologien, wie Genanalysen oder molekulare Marker, eine zentrale Rolle.

Was genau unter personalisierter Medizin zu verstehen ist, welche Vorteile sie für Patientinnen und Patienten bietet, wie Diagnostik personalisiert wird und im Rahmen welcher Behandlungen sie bereits möglich ist, lesen Sie in den folgenden Abschnitten.

Was bedeutet personalisierte Medizin? Definition und Grundlagen

Personalisierte Medizin wird auch als Präzisionsmedizin oder stratifizierte Medizin bezeichnet. Damit gemeint ist ein Ansatz, der individuelle genetische Voraussetzungen, Umwelteinflüsse und den Lebensstil einer Person berücksichtigt, um eine maßgeschneiderte Diagnostik und Therapie zu ermöglichen. Sie kombiniert neueste, wissenschaftliche Erkenntnisse mit einer ganzheitlichen Herangehensweise.

Neben der Feststellung und Behandlung von Krankheiten spielt die personalisierte Medizin auch eine immer wichtigere Rolle bei der Prävention von Krankheiten und der Verbesserung der Lebensqualität.

Warum personalisierte Medizin? Ziele und Vorteile im Überblick

Die personalisierte Medizin hat die Zielsetzung, medizinische Entscheidungen, Diagnosen und Behandlungen auf den einzelnen Menschen abzustimmen. Wichtige Vorteile sind:

  • Vorhersage der Wirksamkeit: Dank der sogenannten Genomsequenzierung, der Bestimmung des Genprofils eines Menschen, und der molekular-genetischen Diagnostik können Ärztinnen und Ärzte besser einschätzen, ob eine Person von einer bestimmten Behandlung profitieren wird oder ob alternative Therapien mehr Erfolg versprechen.
  • Frühzeitige Risikoerkennung: Durch die Analyse genetischer Daten, bestehender Umwelteinflüsse und des Lebensstils lassen sich individuelle Risikoprofile erstellen. Diese Erkenntnisse können anschließend zur Prävention genutzt werden, etwa um einer Krebsgefahr, einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder auch einer Demenz- bzw. Parkinson-Erkrankung möglichst vorzubeugen.
  • Verlängerung der gesunden Lebensspanne (Longevity): Mithilfe einer optimal abgestimmten, personalisierten Vorsorge können schädliche Entzündungsreaktionen im Körper reduziert und Zellfunktionen optimiert werden, um den natürlichen Alterungsprozess zu verlangsamen.

Ein wichtiges Standbein der personalisierten Medizin ist daher eine präzise Diagnostik.

Individuelle Diagnostik in der personalisierten Medizin: Methoden und Nutzen

Die personalisierte Medizin geht davon aus, dass Krankheiten so individuell sein können wie die daran leidenden Menschen. Immer wieder zeigt sich, dass Patientinnen und Patienten mit derselben Diagnose unterschiedlich auf Medikamente oder Behandlungen reagieren. Die Ursachen dafür liegen in persönlichen Merkmalen: Alter, Gewicht, Vorerkrankungen, aber auch genetischen, molekularen und zellulären Besonderheiten.

Die molekulare Diagnostik und Genomsequenzierung gelten daher als Schlüsseltechnologien der individualisierten Medizin.

Was versteht man unter molekularer Diagnostik?

Im Rahmen moderner genetischer Untersuchungen werden etwa Blut- oder Gewebeproben analysiert, um individuelle genetische Merkmale zu identifizieren: sogenannte Biomarker. Diese können Hinweise darauf geben, ob bestimmte Medikamente wirken oder nicht. Oder sie liefern Informationen über das Wachstum von Tumoren, das anschließend gezielt mit einer passenden Therapie bekämpft werden kann.

Darüber hinaus lassen sich sogenannte epigenetische Marker feststellen: Sie verändern nicht die Gene selbst, sondern beeinflussen deren Funktion. Diese Einflüsse können durch Faktoren wie Ernährung, Alkoholkonsum und Rauchen, körperliche Aktivität, Umweltbelastungen und Medikamente entstehen.

Während die molekulare Diagnostik nach einzelnen, spezifischen Merkmalen sucht, analysiert die Genomsequenzierung das gesamte Erbmaterial eines Menschen. Sie zielt darauf ab, seltene Erkrankungen und vererbte Störungen nachzuweisen.

Diese modernen Verfahren ermöglichen eine immer präzisere Diagnostik und erlauben es, Vorsorge und Behandlung individuell an die genetische Veranlagung anzupassen. Für Patientinnen und Patienten hat dies viele Vorteile: bessere Behandlungschancen, gezielte Prävention und oft auch eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität.

Einsatzbereiche der personalisierten Medizin

Auch wenn aktuell noch nicht alle Patientinnen und Patienten in den Genuss einer individuell angepassten Medizin kommen: Die Entwicklung der personalisierten Medizin gewinnt deutlich an Fahrt. Bereits jetzt hat sie – in einzelnen Bereichen – Einzug in die Arztpraxen und Kliniken gehalten: Dies gilt vor allem für die Onkologie, Virologie und bei Entzündungskrankheiten.

Beispiele für die Anwendung der personalisierten Medizin:

Molekulare Tumorboards: Hier kommen Experten aus verschiedenen, medizinischen Fachgebieten zusammen, um auf Basis von molekular-genetischen Analysen die beste Behandlungsmöglichkeit festzulegen. Für die Therapie einer Krebserkrankung kann dies bedeuten: Die Erkenntnisse über das vorliegende Tumorgewebe und genetische Besonderheiten des Patienten oder der Patientin geben eine Richtung vor, welche Therapieansätze Erfolg versprechen und welche nicht. Molekulare Tumorboards spielen eine besonders wichtige Rolle, wenn Standardtherapien erfolglos geblieben sind oder es sich um seltene Krebserkrankungen handelt.

Verordnung von Medikamenten: Es gibt bereits eine Reihe von Medikamenten, die nur nach molekular-diagnostischen Vortests verabreicht werden. Diese vorgeschalteten Tests können beispielsweise folgende Antworten liefern:

  • Wird das ausgesuchte Medikament bei dieser Patientin oder diesem Patienten wirken?
  • Wie ist die Verträglichkeit bzw. wie hoch ist das Risiko von Nebenwirkungen?
  • Wie wird das Medikament am besten dosiert?

Ein bekanntes HIV-Medikament etwa verursacht gefährliche Nebenwirkungen bei erkrankten Personen, die eine bestimmte Genvariante in sich tragen. Vor einer Verordnung ist daher ein einfacher Bluttest vorgeschrieben, mithilfe dessen dieses spezielle Gen nachgewiesen werden kann. Auch bei Brustkrebs oder Darmkrebs kommen Medikamente zum Einsatz, die gemeinsam mit molekularbiologischen Tests entwickelt wurden.

Zielgerichtete Therapien in der Onkologie: Lange Zeit war es üblich, bei bestimmten Krebserkrankungen eine Standardtherapie bei allen Patientinnen und Patienten anzuwenden. Allerdings wirken Krebsbehandlungen je nach Person unterschiedlich. Und auch bei derselben Krebserkrankung können die Tumore der einzelnen Betroffenen sich durch genetische Besonderheiten unterscheiden. Die molekulare Diagnostik ermöglicht es, ein genaues Profil der einzelnen Tumoren zu erstellen und damit eine gezielte Therapie zu wählen, die exakt diese Tumoren zum Absterben bringt. Da zielgerichtete Therapien in der Regel deutlich weniger Nebenwirkungen verursachen als beispielsweise eine Bestrahlung oder Chemotherapie, ist die Behandlung für die Patientinnen und Patienten verträglicher und weniger belastend.

Auch im Rahmen der Immunologie, Rheumatologie und Präventionsmedizin kommen individuelle Ansätze immer häufiger zum Tragen. Das Ziel ist immer das Gleiche: Behandlungen und Arzneien sollen bei den Patientinnen und Patienten angewendet werden, die davon am meisten profitieren.

Was bremst die personalisierte Medizin: Welche Herausforderungen gilt es zu überwinden?

Die meisten Patienten erleben noch keine personalisierte Medizin. Die Entwicklung schreitet voran, aber nur langsam. Dafür gibt es verschiedene Gründe:

  • Eine zielgerichtete Therapie ist bisher nur bei bestimmten Krebserkrankungen möglich. Die einzelnen Biomarker zu identifizieren, ist Gegenstand verschiedener Forschungen. Während Sets von Biomarkern bei einigen bösartigen Erkrankungen, wie Brustkrebs, bereits bekannt sind, gibt es zu anderen nur wenige oder gar keine Erkenntnisse.
  • Therapien müssen vor ihrer Anwendung in großen, klinischen Studien auf ihre Wirksamkeit getestet werden. Daher dauert es zum Teil Jahre, bis sie tatsächlich zur Anwendung kommen.
  • Die Kosten für molekular-genetische Tests und auch zielgerichtete Therapien sind hoch und werden häufig (noch) nicht von den Krankenversicherungen übernommen.

Trotz dieser Herausforderungen zeigt die personalisierte Medizin bereits heute ihr enormes Potenzial – und mit jedem neuen Forschungsergebnis steigt die Chance für Patientinnen und Patienten, von einer individuell abgestimmten Therapie profitieren zu können.

Fazit: Wie personalisierte Medizin die Zukunft der Gesundheitsversorgung verändert

Die personalisierte Medizin hilft schon heute dabei, Medikamente und Therapien gezielt auszuwählen – nicht mehr nach dem Prinzip „Versuch und Irrtum“, sondern auf Basis einer präzisen Diagnose und der individuellen genetischen Voraussetzungen der Patientinnen und Patienten. Das gilt sowohl für die Behandlung akuter Erkrankungen als auch für die Prävention und sogenannte Longevity-Medizin.

Ein einfaches Bild verdeutlicht das Prinzip: Statt allen dieselbe Kleidung in „Einheitsgröße“ zu geben, ermöglicht personalisierte Medizin die Auswahl der passenden Größe – oder sogar eine maßgeschneiderte Lösung.

Davon profitiert nicht nur die Behandlungsqualität, sondern auch das Gesundheitssystem insgesamt. Zwar sind personalisierte Diagnostik und Therapien aktuell oft noch mit höheren Kosten verbunden, doch sie vermeiden zugleich unnötige Tests, wirkungslose Behandlungen oder Nebenwirkungen – die ebenfalls hohe Ausgaben verursachen.

Am Ende steht ein doppelter Gewinn: bessere Behandlungsergebnisse für die Patientinnen und Patienten und ein effizienterer Einsatz der verfügbaren Mittel im Gesundheitswesen.

Quellen:

  • ÄrzteZeitung, Revolution in der Therapie durch personalisierte Medizin, https://www.aerztezeitung.de/Medizin/Revolution-in-der-Therapie-durch-personalisierte-Medizin-287139.html (aufgerufen am 26.05.2025)
  • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Modellvorhaben Genomsequenzierung, https://www.bfarm.de/DE/Das-BfArM/Aufgaben/Modellvorhaben-Genomsequenzierung/_node.html#:~:text=Im%20Rahmen%20des%20Modellvorhabens%20zur,diese%20Krankheiten%20potenziell%20verursachen%20k%C3%B6nnten.(aufgerufen am 26.05.2025)