Niemand muss mit Kopfschmerzen leben
Neurologie
Kopfschmerzen und Schwindel sind weit verbreitete Leiden. Die Heilungschancen sind größer, als die meisten Betroffenen ahnen.
Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Jeder vierte Deutsche leidet regelmäßig unter Kopfschmerzen. Einige sogar so stark, dass sie nicht zur Arbeit gehen können. Die meisten Betroffenen nehmen regelmäßig Schmerzmittel ein und warten darauf, dass das Brummen im Kopf verschwindet. Und setzen damit einen Mechanismus in Gang, bei dem sie im schlechtesten Fall zu einem chronischen Schmerzpatienten werden können. „Wenn die Kopfschmerzen nicht mehr weggehen und fast täglich Schmerzmittel eingenommen werden, sollte man dringend einen Neurologen, bzw. einen Schmerztherapeuten aufsuchen“, rät Prof. Dr. med. Mark Obermann, Spezialist für Neurologie und Ärztlicher Direktor des Zentrums für Neurologie in den Asklepios Kliniken Schildautal Seesen. „Wir können den meisten Patienten helfen, die zu uns kommen.“
Zuhören ist die beste Kopfschmerzdiagnose
Es gibt über 200 verschiedene Arten von Kopfschmerzen, aber nur wenige Experten, die sich auf die Therapie dieser unangenehmen Volkskrankheit verstehen. „Das Schwierige ist, herauszufinden, ob die Kopfschmerzen ein Symptom oder eine Nebenwirkung sind, oder ob sie tatsächlich eine eigene Erkrankung darstellen.“ Patienten mit chronischen Kopfschmerzen haben häufig eine lange Leidensgeschichte hinter sich. Der erste Diagnoseschritt von Prof. Obermann besteht daher aus aufmerksamem Zuhören. „Wir nehmen uns die Zeit, unsere Patienten ausführlich von ihren Kopfschmerzen und ihrer bisherigen Behandlung berichten zu lassen. Die meisten haben MRT Bilder dabei, die keinen sichtbaren Befund aufweisen. Bei vielen sind angeblich die verspannte Nackenmuskulatur oder Unfallschäden schuld. Und obwohl auch wir zum Teil keine eindeutige Diagnose stellen können, bzw. mehrere Ursachen in Frage kommen, können wir den meisten Betroffenen helfen.“
Therapie bei chronischen Kopfschmerzen
Die häufigste Ursache für anhaltende, quälende Kopfschmerzen ist ein Übergebrauch von Medikamenten, so Prof. Obermann. „Die jahrelange Einnahme von Medikamenten und vor allem Schmerzmitteln führt oft wiederum zu Schmerzen und Spannungskopfschmerzen.“ Den vorgeschlagenen, ersten Schritt zur Besserung finden die meisten seiner Patienten zunächst gar nicht witzig: Die Medikamente müssen abgesetzt werden. Sofern es sich um Migräne-Kopfschmerzen handelt, die eine neuro-biologische Erkrankung darstellen, müssen Betroffene versuchen, die Auslöser zu vermeiden. Dazu zählen u.a. Alkohol und Schlafmangel. In der Folge versucht der Schmerztherapeut, die Patienten auf eine Kopfschmerz-Prophylaxe einzustellen, statt nur in akuten Phasen Tabletten einzunehmen. Eine regelmäßige, individuell abgestimmte Medikamentengabe, kombiniert mit einem Bewegungs- und Entspannungsprogramm bringe sehr gute Erfolge, betont Prof. Obermann. Gerade in der Migränetherapie gebe es neue Medikamente, die zum Teil mit Antikörpern gegen die entsprechenden Schmerzrezeptoren vorgehen. Sie wirkten sehr gut und hätten fast keine Nebenwirkungen, so der Spezialist für Neurologie.
Schwindel – ein harmloses Altersphänomen?
Wiederkehrende Schwindelanfälle zählen wie Kopfschmerzen zu den weit verbreiteten Volkskrankheiten. Gerade bei älteren Menschen wird häufig abgewinkt: Schwindel sei ein Altersphänomen, damit müsse man sich abfinden. Auch hier rät Prof. Obermann den Betroffenen abzuklären, ob ihr Schwindel nicht doch behandelt werden kann: „Eine Ursache für Schwindelanfälle, sowohl bei älteren als auch bei jüngeren Menschen, ist der sogenannte Lagerungsschwindel, der durch das Ablösen von Ohrensteinen entsteht. Die abgebröckelten Steinchen schwimmen im Innenohr. Beim Drehen des Kopfes strömen diese Steinchen in den Bogengängen herum und bewirken einen Sog auf die Sinneszellen, die einen Schwindel auslösen.“ Sowohl die Untersuchung als auch die Heilung dieser heftigen Schwindelanfälle ist denkbar einfach: Die Patienten werden so gelagert, dass die abgelösten Teilchen herausfallen können. Schwindel kann auch nach einem Schlaganfall oder bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen auftreten. Hirntumore, Entzündungen und Medikamente können ebenfalls Schwindelanfälle auslösen. „Auch bei Schwindel kommt es darauf an, zu unterscheiden, ob es sich um eine Nebenwirkung oder eine Haupterkrankung handelt. Im Gegensatz zu Kopfschmerzen lässt sich Schwindel allerdings kaum mit Medikamenten beeinflussen“, so Prof. Obermann. „Es gibt aber zahlreiche Übungen, die sich positiv auswirken und den Schwindel eindämmen.“ Um herauszufinden, ob der eigene Schwindel behandelt werden kann, ist es manchmal notwendig verschiedene Fachärzte aufzusuchen, z.B. einen HNO-Arzt, Orthopäden und einen Neurologen. Wichtig sei es, nicht aufzugeben, rät der erfahrene Neurologe. Mit Kopfschmerzen oder Schwindel müsse heutzutage niemand mehr leben.
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