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Mit Kopfschmerzen zum Orthopäden

Spannungskopfschmerz

Hämmernd, dumpf und drückend oder ziehend - wer öfter oder regelmäßig unter Kopfschmerzen leidet, sollte dies durch einen Arzt abklären lassen, rät Dr. med. Joachim Mallwitz, Spezialist für Konservative Orthopädie und Chefarzt im Rückenzentrum Am Michel in Hamburg.

Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO

Kopfschmerzen werden häufig als Bagatelle abgetan und nicht ernst genommen. Wann sollte man aufgrund von Kopfschmerzen einen Arzt aufsuchen?

Dr. Mallwitz: „Immer dann, wenn die Kopfschmerzen als belastend oder sogar bedrohlich empfunden werden, wenn sie sehr intensiv sind oder plötzlich auftreten und bisher keine Erklärung bekannt ist. Man sollte nicht zu lange abwarten, sondern versuchen, gemeinsam mit einem Arzt herauszufinden, warum es zu den Kopfschmerzen kommt, um welche Art Kopfschmerz es sich handelt und dann eine entsprechende Therapie einleiten. Einige Kopfschmerzen sprechen gut auf bestimmte Medikamente an. Andere erfordern kombinierte Behandlungsmethoden, zum Beispiel durch einen Orthopäden.“

Zu welchem Arzt geht man, wenn man unter Kopfschmerzen leidet?

Dr. Mallwitz: „Es macht Sinn, zunächst den Hausarzt aufzusuchen, da dieser seine Patienten und ihre Vorgeschichte gut kennt, also auch persönliche Belange und Belastungen einschätzen kann. Falls der Hausarzt eine Ursache im Bereich der Halswirbelsäule vermutet, überweist er an einen Orthopäden, bei Verdacht auf eine psychosoziale Belastung oder der Notwendigkeit, Entspannungstherapieverfahren zu erlernen, an einen Psychologen, bei Bluthochdruck als möglicher Ursache wäre ein Internist zuständig. Für den Fall, dass eine Migräne, ein anfallsartiger Kopfschmerz, oder als Auslöser der Gesichtsnerv (trigenimo-autonomer Kopfschmerz) vermutet wird, macht es Sinn, einen Neurologen zur Rate zu ziehen. Als Ursache für Kopfschmerzen kommen außerdem craniomandibuläre Dysfunktionen (Fehlfunktionen des Kiefergelenks) oder auch nächtliches Zähneknirschen (Bruxismus) in Frage, für die ein Zahnarzt zuständig wäre. Bei chronisch-entzündlichen Grunderkrankungen mit sich entwickelnder Instabilität im Kopfgelenksbereich sollte ein Rheumatologe hinzu gezogen werden. Bei Verdacht auf medikamenteninduzierte Kopfschmerzen kann ein Schmerztherapeut helfen. Manchmal sind es auch ganz banale Ursachen, wie z.B. eine nicht mehr ausreichende Brillenstärke. Weil häufig mehrere Ursachen zutreffen können, ist in vielen Fällen eine kombinierte Behandlung durch verschiedene Fachärzte sinnvoll.“

Wie können Sie als Orthopäde akute Kopfschmerzen lindern?

Dr. Mallwitz: „Wenn die Vermutung nahe liegt, dass die Ursache des Kopfschmerzes im Bereich der Halswirbelsäule liegt, untersuche ich den Patienten manualtherapeutisch, also mit meinen Händen und Fingern. Nicht selten sind Funktionsstörungen der oberen Halswirbelsäule verantwortlich für Kopfschmerzen, Schwindel oder Ohrgeräusche. Durch spezielle Releasetechniken kann ich z.B. die Blockaden beheben, verspannte Muskeln  in der kurzen Nackenstreckmuskulatur oder auch der vorderen Halsmuskulatur bzw. der Schulter-/Nackenmuskulatur lösen. Bei einer Schwäche der Muskulatur, die zu Instabilitäten und nachfolgend zu Kopfschmerzen führen kann, kann ich die Ansteuerungsfähigkeit und auch die Kraftleistung testen und ggf. physiotherapeutisch behandeln. Wenn die Beschwerden länger andauern wird es schwieriger. Hier sollten Betroffene auf keinen Fall aufgeben, sondern gemeinsam mit dem Arzt mögliche Ergänzungsuntersuchungen durchführen. Mit Hilfe der modernen Bildgebungstechniken, wie z.B. der MRT (Magnetresonanztomographie), können relevante Veränderungen nachgewiesen werden. Das könnten u.a. eine Arthrose im Bereich der Facettengelenke der oberen Halswirbelsäule oder auch ein Bandscheibenvorfall sein.“

Was hilft bei chronischen Kopfschmerzen?

Dr. Mallwitz: „Die chronischen Kopfschmerzen berühren verschiedene Gewebesysteme und haben oft mehrere Ursachen oder zumindest Einflussfaktoren. Daher sollten chronische Kopfschmerzen immer durch ein interdisziplinäres Team untersucht und behandelt werden. Dazu zählen Ärzte, die den Einfluss struktureller und medikamentöser Faktoren abklären, Psychologen, die den Einfluss psychosozialer Belastungsfaktoren prüfen und Physiotherapeuten, die den Einfluss muskulärer Faktoren bewerten. In der Regel sind diese Fachbereiche dann auch im Rahmen einer multimodalen Schmerztherapie involviert. Eine sichere Diagnose ist in jedem Fall die Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Bei Patienten, die seit zwanzig Jahren unter Kopfschmerzen leiden, können wir diese natürlich nicht innerhalb von zwei Behandlungen verschwinden lassen. Aber wir können fast immer erreichen, dass die Schmerzen erträglicher werden und seltener auftreten.“

Gibt es eine Kopfschmerz-Prophylaxe oder Möglichkeiten, Kopfschmerzen zu verhindern?

Dr. Mallwitz: „Ja, bei bestimmten Kopfschmerzformen ist dies möglich. Die medikamentöse Kopfschmerz-Prophylaxe ist vor allem aus der Migräne-Therapie bekannt, um die Häufigkeit der Anfälle zu reduzieren oder auch ihre Intensität abzumildern. Bei Spannungskopfschmerzen erzielen wir gute Erfolge durch gezieltes Krafttraining und auch Ausdauertraining. Manchmal reicht es aus, lediglich die Arbeitsposition vor dem Computer zu verändern oder die Arbeitsbelastung zu reduzieren. Viele Patienten profitieren zudem vom Erlernen von Entspannungstechniken im Rahmen einer Verhaltenstherapie.“

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