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Keine Angst vor der Schulterprothese

Schulterarthrose

PD Dr. med. Andreas Lenich, Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfall-, Handchirurgie und Sportorthopädie am Helios Klinikum München West beantwortet die wichtigsten Fragen zum Gelenkersatz an der Schulter.

Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO

In welchen Fällen muss das Schultergelenk durch eine Prothese ersetzt werden?

Dr. Lenich: „Dies ist meistens bei einer fortgeschrittenen Arthrose der Fall. Entscheidend sind das Ausmaß der Bewegungseinschränkung und die Schmerzen des Patienten. Je nachdem, wie und wo die Schulter geschädigt ist, können wir durch eine Hemiprothese nur einzelne Gelenkflächen ersetzen oder aber eine inverse oder eine anatomische Schulterprothese implantieren. Eine anatomische Prothese imitiert das natürliche Gelenk, bzw. dessen betroffene Bestandteile und ermöglicht eine größere Kraftübertragung. Der Eingriff ist weniger invasiv und wird vorwiegend bei jüngeren Patienten ausgeführt. Eine inverse Prothese ist dann erforderlich, wenn auch die Muskeln und Sehnen der Schulter geschädigt sind. Sie bedient sich eines Tricks: der künstliche Kopf wird dort angesetzt, wo die natürliche Pfanne lag und umgekehrt. Dadurch verlagert man den Drehpunkt des Gelenks, so dass andere, nicht geschädigte Muskelgruppen die Bewegung übernehmen können. Eine inverse Prothese erfordert einen größeren Eingriff und sollte die letzte Option sein, bzw erst ab einem gewissen Alter implantiert werden. Teilprothesen oder eine anatomische Vollprothese können immer durch eine inverse ausgetauscht werden, falls es notwendig ist. Umgekehrt leider nicht.“

Wie beweglich ist ein künstliches Schultergelenk?

Dr. Lenich: „Das hängt stark davon ab, wie aktiv und fit der Patient grundsätzlich ist. Wer sich vorher wenig bewegt hat oder auch durch andere Krankheiten eingeschränkt ist, darf natürlich auch hinterher keine Wunder erwarten. Ich bin immer sehr vorsichtig mit Versprechungen. Allerdings sind die Langzeitergebnisse so gut, dass man in vielen Fällen von einer ‚forgotten shoulder’, einer ‚vergessenen Schulter’ sprechen kann. Die Patienten merken plötzlich, dass sie in der vergangenen Woche nicht an ihre operierte Schulter oder das künstliche Gelenk gedacht haben. Je länger die Operation her ist, desto seltener sind sie sich ihrer Schulterprothese bewusst. Wichtig ist, die Patienten darüber aufzuklären, dass Sie nach dem Einsetzen der Prothese ein halbes bis ein Jahr konsequent trainieren müssen, um die bestmögliche Beweglichkeit herzustellen. Das gilt auch für Sportler. In unserem Reha-Programm „Back to sports“ teilen wir die Sportarten ein, so dass Nordic Walking zum Beispiel in Level 1 eingestuft ist. Golf, Tennis oder Handball wären Level 4. Dann versteht es sich von selbst, dass ein Level 4-Sportler auch vier Mal so viel trainieren muss, wie ein Level 1-Sportler, um zu seiner Zielsportart zu gelangen.“

Wie belastend ist das Implantieren einer Schulterprothese für die Patienten?

Dr. Lenich: „Viele meiner Patienten sind beruhigt, wenn Sie hören, dass das Implantieren einer Schulterprothese weniger aufwändig ist als die Rekonstruktion einer Sehne. Der Vorteil ist, dass wir keine Muskulatur durchtrennen müssen, also keine neuen Schäden im Gelenk verursachen und dadurch auch die Verletzungsgefahr von Nerven und Blutgefäßen sehr gering ist.  Die Schulterprothesen heilen gut ein und die Infektionsrate ist niedrig. Normalerweise verbringen die Patienten je nach Allgemeinzustand vier bis fünf Tage in der Klinik. Während der ersten zwei Tage werden sie durch einen Schmerzkatheter behandelt, so dass viele hinterher erleichtert erzählen, dass sie nach Monaten und Jahren voller Schmerzen nachts endlich mal wieder schlafen konnten. Damit der Arm nicht versteift, werden sie sofort mobilisiert und erhalten Hilfestellung, wie sie den Arm führen und bewegen sollten. Nur für die Nacht legen wir ihnen etwa drei Wochen lang eine sogenannte ‚Traumaweste’ an, um unglückliche Stellungen  oder Verletzungen im Schlaf zu vermeiden.“

Wie lange hält eine Schulterprothese?

Dr. Lenich: „Die durchschnittliche Standzeit bei anatomischen Prothesen liegt bei 12 Jahren. Danach berichten lediglich 10 Prozent aller Prothesenträger von Problemen, z.B. Lockerungen. Bei 90 Prozent funktionieren die künstlichen Schultergelenke auch nach 12 Jahren noch ohne Komplikationen, bei 80 Prozent sogar noch nach 20 Jahren. Bei inversen Schulterprothesen sind die Standzeiten mittlerweile ähnlich. Aber natürlich kommt es auch hier auf die individuelle Belastung an: Schwere, körperliche Arbeiten belasten das künstliche Gelenk stärker als ein Bürojob. Das Gute ist, dass sich die modernen Prothesen problemlos ersetzen lassen und modular aufgebaut sind. D.h. es ist möglich, nur den Kopf einer Schulterprothese auszuwechseln, den Schaft aber nicht anzurühren. Die aktuellen Entwicklungen und Forschungen konzentrieren sich genau auf diesen Bereich, nämlich nur die Gelenkteile zu ersetzen, die unter der Hauptbelastung Schaden genommen haben. Dabei kommen auch neue, minimalinvasive OP-Techniken zur Anwendung, die das Operationstrauma für den Patienten deutlich verringern und die Heilung beschleunigen. Und nicht zuletzt geht der Trend natürlich auch beim künstlichen Schultergelenk in Richtung Individualprothese. Zur Zeit steht uns Gelenkersatz in vier Größen zur Verfügung, die auf Mittelwerten basieren. In Zukunft können Patienten von einem hundertprozentig passenden Gelenkersatz profitieren, der im 3D-Druck-Verfahren nach ihren ganz eigenen körperlichen Voraussetzungen erstellt wird.“

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