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Implantate: „Je länger, desto besser“ hat ausgedient

Kurzimplantate und ultrakurze Implantate

Kurzimplantate und ultrakurze Implantate weisen eine deutlich bessere Haltbarkeit aus als in Fachkreisen erwartet – bei geringeren Kosten, Behandlungszeiten und Komplikationen.

Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO

 

Gegenüber dem Kurzimplantat hat ein Standard-Implantat eine Länge zwischen 10 und 15 mm und einen Durchmesser von 3,3 – 5 mm. Dabei hat das Implantat meist die Form einer Schraube. Als „kurz“ werden Implantate bis 8 mm und als „ultrakurz“ Implantate mit weniger als 6 mm Länge bezeichnet. Dass diese nur im Notfall bei kaum noch vorhandenem Kieferknochen verwendet werden, hält Mund-Kiefer-Gesichtschirurg Univ.-Prof. Dr. Dr. Rolf Ewers vom CMF Implantat Institut Wien/Österreich für grundfalsch: „Zu mir kommen häufig verzweifelte Patienten, die bereits viele erfolglose Konsultationen hinter sich haben, Zahnersatz verloren haben, über kaum noch vorhandenen Kieferknochen verfügen und auch finanziell eingeschränkt sind. Seit 2010 verwende ich das neueste System ultrakurzer Implantate, von denen ich bereits weit über 1000 mit hervorragenden Ergebnissen eingesetzt habe. Ultrakurze Implantate kommen ohne aufwendigen und unangenehmen Knochenaufbau (Augmentation) aus, bei dem z.B. Knochen aus der Hüfte entnommen und im Kiefer wieder eingesetzt werden muss. Dadurch sinken das Komplikationsrisiko, Behandlungszeit und Kosten.“

 

Wie halten ultrakurze Implantate?

Prof. Ewers betreut häufig Patienten, die zwar eine festsitzende, implantatgetragene Versorgung wünschen, aber gleichzeitig unter einem stark reduzierten Knochenangebot leiden. „Bei 6 bis 7 mm Knochenhöhe kann man kein langes Implantat einschrauben“, erklärt Prof. Ewers. Der Knochen würde zerbrechen und der Belastung nicht standhalten. „Die ultrakurzen Implantate, die ich verwende, werden nicht eingeschraubt, sondern eingedrückt, und sie heilen nach dem „Kallus Prinzip“ ein. Dies bedeutet, dass kein Belegknochen, wie bei den Schrauben-Implantaten, sondern Lamellenknochen mit Haver‘scher Knochenmorphologie gebildet wird. Bei den von uns verwendeten  ultrakurzen Implantaten handelt es sich um Implantate mit einer Konus-Verbindung, die eine Bakterien-Abdichtung garantiert. Dadurch kommt es zu keiner Periimplantitis (Entzündung des Implantatbetts) mit darauffolgendem Knochenabbau.  Die abgeschrägte Implantatschulter und ein Plateau-Design, das Wachstumskammern für die Neubildung von Knochen enthält, sorgen für ein problemloses Einwachsen“. Beim Einsetzen der Implantate läuft Blut in die Hohlräume der Kammern, die man sich wie kleine, seitliche Finnen oder die Ausleger einer Schiffsschraube vorstellen kann. In drei eigenen Studien hat Prof. Ewers für seine Methode nicht nur hervorragende Haltbarkeiten festgestellt, die Standardimplantaten in nichts nachstehen, sondern noch ein weiteres, verblüffendes Phänomen: „Bei Standardimplantaten hat man durch die Verletzungen häufig mit dem Absterben von Knochen und Gewebe oder dem Entstehen minderwertigen Knochenmaterials zu kämpfen, das nur wenig Halt bietet. Durch die besondere Form und eine gelenkte Belastung bei den ultrakurzen Implantaten bildet sich fester, lamellarer Knochen, der die hervorragende Funktion und Haltbarkeit der ultrakurzen Implantate ermöglicht.“. Ultrakurze Implantate funktionieren seinen Erfahrungen nach bei Einzelzahnersatz sowie bei Brücken. Dabei setzt Prof. Ewers, wann immer möglich, auf drei statt vier Implantate als Träger: „Ein dreibeiniger Stuhl kann nicht wackeln“, erklärt der MKG-Mediziner.

 

Wie lange dauert die Behandlung?

Nach einer Analyse des vorhandenen Knochenmaterials und einer präzisen Implantatplanung werden zunächst die Implantate in den Kiefer eingesetzt. Diese werden durch ein Polyäthylen-Käppchen verschlossen und dürfen anschließend ohne Belastung in Ruhe einheilen. „Die Patienten benötigen danach in der Regel nicht einmal Schmerztabletten. Die kleine Wunde kann problemlos verheilen: Im Unterkiefer dauert dies etwa 8 Wochen, im Oberkiefer 12. Ich warte allerdings lieber drei bis sechs Monate. Dafür kann das Implantat oder die Brücke dann nach dem Einsetzen sofort voll belastet werden“, betont Prof. Ewers. „Die Haltbarkeit ist gleichwertig mit einem Standardimplantat, das nach einem erfolgten Knochenaufbau eingesetzt wurde. Ich zeige in Vorträgen gerne Bilder einer Patientin, die bereits seit 33 Jahren mit ultrakurzen Implantaten lebt, die wunderbar funktionieren und keinerlei Lockerungen zeigen.“

 

Sind ultrakurze Implantate der Zahnersatz der Zukunft?

Bei Neuversorgungen verwendet Prof. Ewers bereits jetzt nur noch kurze oder ultrakurze Implantate. Seine Patienten empfinden diese weniger invasive Methode als große Erleichterung. Er geht fest davon aus, dass die Entwicklung von kürzeren Implantaten immer stärker in den Focus der Zahnmedizin rücken wird. „Kurz allein reicht allerdings nicht“, warnt Prof. Ewers. „Die konische Form und Bakteriendichte sind es, die den Erfolg der ultrakurzen Implantate erst möglich machen“. Er selbst nutzt häufig die Chance, um das erfolgreiche System der ultrakurzen Implantate bei Kongressen vorzustellen und bietet auch regelmäßig Schulungen für Kollegen im In- und Ausland an. Sehr gefreut hat er sich über die Empfehlung des Bundesverbandes der implantologisch tätigen Zahnärzte in Europa, BDIZ EDI. Dort heißt es sinngemäß in einem Leitfaden: „Die Anwendung von kurzen, angulierten oder durchmesserreduzierten Implantaten bei reduziertem Knochenangebot stellt eine verlässliche Therapieoption dar.“ Voraussetzung sei allerdings, dass der implantierende Zahnarzt und der prothetische Behandler eine angemessene Ausbildung erhalten haben.