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Grünen Star erfolgreich behandeln

Glaukome

Menschen mit Glaukom, im Volksmund „Grüner Star“ genannt, können bestimmte Bereiche in ihrem Blickfeld gar nicht mehr oder nur eingeschränkt erkennen. Um den Sehverlust zu verzögern oder aufzuhalten, können Tropfen, Lasereingriffe oder eine Operation helfen, erklärt Prof. Dr. med. Maya Müller, Augenchirurgin in der IROC AG, dem Institut für Refraktive und Ophthalmo-Chirurgie in Zürich.

Interview: Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO

 

Unter welchen Symptomen leiden Menschen mit Glaukom?

Prof. Müller: „Das Glaukom oder der Grüne Star wird auch der ‚heimliche Dieb des Sehens‘ genannt. Das Tückische ist, dass er lange Zeit gar keine Symptome verursacht. Er wird meist erst entdeckt, wenn es schon sehr spät ist und die Schäden bereits eingetreten sind. Irgendwann fällt den Betroffenen auf, dass sie einzelne Bereiche in ihrem Blickfeld nur noch verschwommen wahrnehmen oder gar nicht mehr erkennen können. Oder sie stoßen sich den Kopf an Gegenständen an, die sie nicht sehen. Daher ist auch eine regelmäßige Vorsorge ab dem 40. Lebensjahr so wichtig. Besonders dann, wenn bekannt ist, dass Blutsverwandte an einem Glaukom erkrankt sind. Sehr viel deutlicher macht sich ein akuter Glaukomanfall bemerkbar: Typische Symptome sind hier heftige Augen- und Kopfschmerzen, Übelkeit und ein Schleier vor den Augen. Von akuten Glaukomanfällen sind häufig Asiaten betroffen, weil ihr Auge enger gebaut ist als bei Kaukasiern.“

Welche krankhaften Prozesse laufen bei Grünem Star im Auge ab?

Prof. Dr. med. Maya Müller, Augenchirurgin in der IROC AG

Prof. Müller: „In den meisten Fällen handelt es sich um eine Abflussstörung des Augenwassers. Normalerweise läuft dieses an der Linse und der Regenbogenhaut (Iris) vorbei in den Kammerwinkel. Dort fließt es durch ein feines Maschenwerk ab und wird von den Blutgefäßen aufgenommen. Ist dieser Abfluss gestört oder blockiert, steigt der Augeninnendruck und es kommt zu Beeinträchtigungen der empfindlichen Fasern des Sehnervs. Dies führt zu bleibenden Schäden und Einschränkungen des Gesichtsfelds von außen nach innen.“

Wie wird ein Glaukom festgestellt?

Prof. Müller: „Wichtig ist eine exakte Diagnose. Dazu reicht es nicht aus, den Augeninnendruck zu messen. Zusätzlich sollten die Beschaffenheit der Hornhaut, der Sehnerv und mögliche Beeinträchtigungen des Gesichtsfelds untersucht werden, um ein vollständiges Bild der Erkrankung zu erhalten.“

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Wie wird Grüner Star behandelt?

Prof. Müller: „Ein Glaukom ist nicht heilbar. Wir können den Krankheitsverlauf nur verzögern oder aufhalten. Dazu ist häufig eine Senkung des Augeninnendrucks um etwa 30 Prozent notwendig. Dies kann in einem ersten Schritt durch Augentropfen erreicht werden. Während der Behandlung müssen der Augendruck, die Wirksamkeit und auch die Verträglichkeit regelmäßig kontrolliert werden. Wenn die Tropfen von der Patientin oder dem Patienten nicht akzeptiert oder vertragen werden oder der Erfolg nicht ausreicht, können mit Hilfe einer Laserbehandlung kleine Kanäle in den Abflussmaschen im Augenwinkel angelegt werden. Oder der Abfluss des Augenwassers wird durch eine Operation erleichtert.“

Welche Operationsverfahren haben sich durchgesetzt?

Prof. Müller: „Früher hat man sehr lange gewartet, ehe man ein Glaukom operiert hat. Der Goldstandard war damals die sogenannte Trabekulektomie. Einfach erklärt, wurde dabei ein Deckel präpariert und darunter ein Loch ins Auge gestanzt, um den Abfluss des Augenwassers zu ermöglichen. Hierbei waren Antivernarbungssubstanzen (Antimetabolite) notwendig, um die einsetzende Vernarbung zu verhindern. Allerdings lag die Komplikationsrate bei diesem Eingriff bei 25 Prozent. Ich selbst operiere seit 13 Jahren mit dem Ziel, den natürlichen Abfluss wieder herzustellen. Das Verfahren nennt sich Kanaloplastik. Dabei wird ein Mikrokatheter in den Abflusskanal eingeführt und dehnt ihn. Anschließend kann im Kanal noch ein feiner Faden gespannt werden, der ihn offen hält und so einen ungestörten Abfluss des Augenwassers ermöglicht. Dieses Verfahren kann von außen oder von innen angewandt werden. Die Komplikationsrate liegt gerade mal bei 1,5 Prozent. Auch hat sich seit einigen Jahren die minimal-invasive Glaukomchirurgie etabliert. Sie ist sicherer, weniger invasiv und weniger belastend für die Patienten und kann zu einem wesentlich früheren Zeitpunkt durchgeführt werden. Der Erfolg z. B. der Kanaloplastik von innen liegt bei 80 Prozent, ohne dass die operierten Patienten zusätzlich Augentropfen anwenden müssen. Es gibt noch viele weitere Operationsverfahren. Unter anderem werden Implantate oder Stents eingesetzt, um den Abfluss des Augenwassers zu ermöglichen und den Augendruck zu mindern. Allerdings sind es Fremdkörper und sie können derzeit noch nicht exakt an die Stellen gesetzt werden, an denen der Abfluss tatsächlich verengt ist.“

Ist eine Glaukom Operation schmerzhaft für die Patienten?

IROC AG - Institut für Refraktive und Ophthalmo-Chirurgie in Zürich

Prof. Müller: „Nein, es ist ein ambulantes Verfahren und völlig schmerzfrei für die Patienten. Das Auge wird durch Tropfen und Flüssigkeit von außen und innen betäubt, so dass sie das Einführen des Katheters nicht spüren. Wenn ein Faden in den Abflusskanal eingespannt wird, erfolgt dieser Eingriff in Vollnarkose. Insgesamt verursachen die minimal-invasiven Glaukomoperationen wenig Wundflächen und Infekte. Die meisten Patienten sehen bereits am nächsten Tag sehr gut. Sie müssen lediglich für einen Zeitraum von 4 bis 6 Wochen entzündungshemmende Augentropfen anwenden. Wenn die Kanaloplastik von außen ausgeführt wird, kann es einige Wochen dauern, bis sich das Sehen normalisiert, da bei diesem Eingriff die Hornhaut gestaucht wird und sich erst wieder glätten muss.“

Welche Komplikationen können auftreten?

Prof. Müller: „Obwohl Kanaloplastiken meist nur ausgeführt werden, wenn die Patienten mögliche blutverdünnende Medikamente vorher abgesetzt haben, kann es bei diesem Eingriff zu Nachblutungen kommen. Wobei eine leichte Blutung durchaus gewünscht ist, weil sie zeigt, dass der Abfluss funktioniert. Wie bereits erwähnt, kann es zu einer verzögerten Heilung bei einer Kanaloplastik von außen kommen, da sich zunächst die Hornhautverkrümmung zurückbilden muss. Eine Verletzung der Hornhaut oder ein Ausreißen des Fadens sind äußerst selten und reparabel. Bei den früheren Verfahren kam es dagegen häufig zu einer Überreaktion des Augeninnendrucks: Es kam vor, dass er nach dem Eingriff viel zu niedrig war und neben Blutungen und Schwellungen auch schwere Auswirkungen auf die Sehfähigkeit hinzukamen und zudem noch langfristig eine Infektionsgefahr bestand.“

Wie groß sind die Erfolgsaussichten?

Prof. Müller: „Jedes Verfahren hat natürlich eigene Ergebnisse und die Studien sind teilweise schwer vergleichbar. Bei den von mir favorisierten Kanaloplastiken liegt die Erfolgsrate bei rund 80 Prozent.“

Wie lange hält das Ergebnis einer Glaukom-Operation an?

Prof. Müller: „Das Glaukom selbst wird – wie erwähnt – nicht besser. Nur das Fortschreiten der Krankheit wird gestoppt oder verzögert. Daher nutzt sich auch der erzielte Effekt einer Glaukomoperation über die Jahre ab. Die 5-Jahres-Raten liegen bei guten 70 bis 75 Prozent, je nach Ausgangsituation und Glaukomtyp. Schlechter sind die Ergebnisse beim sogenannten PEX-Glaukom, das Abschilferungen verursacht und dadurch zu verstärkten Verstopfungen der Abflusskanäle führt. Aber auch bei den anderen Glaukomen kann der Augendruck über die Jahre wieder ansteigen und ein weiterer Eingriff erforderlich werden. Aber die gute Nachricht ist: Heutzutage muss niemand mehr wegen eines Glaukoms erblinden, wenn er sich rechtzeitig in Behandlung begibt. Daher ist auch die Früherkennung so wichtig und bei Bedarf eine frühzeitige Operation.“